Zwischen dem Bistum von Andrew Nkea Fuanya und dem Vatikan liegen elf Flugstunden und – wie man so sagt: Welten. In Kamerun, der Heimat des Erzbischofs, kommt es immer wieder vor, dass Christen von bewaffneten Banden entführt werden. Da Kamerun unter anderem an Nigeria grenzt, leben in dem Land auch viele Migranten, die vor dem Terror von Boko Haram geflohen sind. Man kann sagen: Dieser Bischof aus Afrika hat echte Probleme.
Doch jetzt war Andrew Nkea in Rom, um in der Zentrale der Weltkirche mit seinen Amtsbrüdern (und einer beträchtlichen Zahl von Schwestern) aus Europa, Amerika, Asien, Australien über ganz andere Probleme zu beraten: ob Bischöfe sich von Laien kontrollieren lassen müssen, ob Frauen die Aufgaben von Priestern übernehmen dürfen, ob die Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften sein darf. Über solche Kircheninterna haben sie soeben vier Wochen lang getagt, 462 Teilnehmer hatte die vom Papst einberufene Synode, davon 355 Stimmberechtigte, die sich am Ende auf 155 Punkte einigen mussten. Alle atmeten auf, als das geschafft war.
Erzbischof Nkea wirkt am Sonntag nach der Abstimmung trotzdem bestens gelaunt. Es ist acht Uhr früh, in zwei Stunden beginnt die Abschlussmesse mit dem Papst, und wenn man durch das blaugoldene Herbstlicht über den noch fast leeren Petersplatz geht, dann kommt es einem vor, als hätte diese Kirche im Grunde gar keine Sorgen. Unerschütterlich schön die Fassade des Petersdoms und die zur Umarmung ausgebreiteten Kolonnaden. Friedlich die Frühaufsteher, die dem Ansturm der Zehntausenden zuvorkommen wollen, die Tag um Tag hierher pilgern, allen Kirchenkrisen zum Trotz.
In einer Seitenstraße der Via della Conciliazione, der Prachtmeile, die auf den Petersdom zuläuft, hat Andrew Nkea sein Quartier. Er kommt im Kardinalsdress, schwarzer Talar mit roter Schärpe, ins Foyer des Palazzo. Lächelnd geht er an dem wartenden englischen Journalisten vorbei und schüttelt der Reporterin der ZEIT die Hand. Er sagt: "Wir müssen jetzt mehr auf die Frauen achten. Buongiorno!"
Seine Exzellenz hat den festen Handschlag eines Mannes, der auch Feldarbeit gewohnt ist. Der 59-Jährige ist mittlerweile Vorsitzender der kamerunischen Bischofskonferenz, ein Amtsbruder des DBK-Chefs Georg Bätzing, und er weiß, dass er als Konservativer gefürchtet ist, besonders bei einigen Deutschen. Oder ist es andersherum? "Wir Afrikaner hatten Angst, dass die Lehre der Kirche verändert wird", sagt Andrew Nkea. "Aber das ist nicht passiert." Die Furcht war, dass künftig kein Unterschied mehr sein solle zwischen der Ehe von Mann und Frau und einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft. "Aber wir haben uns vorbereitet und mit einer Stimme gesprochen. Afrika kam nicht als Juniorpartner, sondern als Verhandlungsmacht." So habe man "den LGBTQ-Punkt" aus dem Synodendokument "rausbekommen".
Ganz so schlimm war es in Wahrheit nicht. Zwar opponierten die Afrikaner bei der Synode laut gegen einen in ihren Augen zu liberalen Umgang mit Homosexualität. Zugleich forderten sie, Polygamie anzuerkennen. Sie konnten aber die vom Papst schon vor zehn Jahren begonnene Modernisierung nicht zurückdrehen (Die Bischöfe sollen andere Lebensweisen nicht länger verurteilen und abwerten! Sie sollen die Menschen respektieren, so wie sie sind!). Afrikaner wie Andrew Nkea haben allerdings jenen Liberalen einen Dämpfer verpasst, die ständig den Papst kritisieren, weil er nicht einfach das, was in westlichen Gesellschaften selbstverständlich geworden ist, in neue kirchliche Gesetze gießt.
In Rom bekamen sie jetzt eine Ahnung davon, dass konträre Ansichten innerhalb der Weltkirche nicht nur eine Ausrede für Betonkatholiken sind, sondern dass kulturelle Unterschiede tatsächlich existieren. Papst Franziskus hatte seit seinem Amtsantritt den Ausweg gewiesen: Die Bischöfe mögen zu Hause, in ihren Ortskirchen, das Nötige tun – also das, was ihr eigenes Kirchenvolk wünscht und braucht. Doch anstatt im Windschatten solcher Ermunterungen alte, im Westen heute als unbarmherzig empfundene Regeln stillschweigend zu ignorieren, pochten insbesondere die Deutschen auf neue Dekrete. Statt mutig voranzugehen, forderten sie Machtworte aus Rom – und merkten gar nicht, wie autoritär das war.