Gaden

Einräumiges Haus oder eine einzelne Räumlichkeit

Der Ausdruck Gaden (auch Gadem, meist sächlich, im Schweizerdeutschen meist männlich) bezeichnet in der Architektur ein einräumiges Haus oder eine einzelne Räumlichkeit.

Salzsieder-Gademe in Unna-Königsborn, um 1780 erbaut

Wortherkunft

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Im Althochdeutschen bedeutet gadam oder gadumRaum, Gemach, Scheune‘. Der lateinische Begriff aedes (klassisches Latein) bedeutet dasselbe: eine aus einem Raum bestehende Wohnung, ein Gemach, ein Zimmer, eine Zelle (Klosterzelle). Eine althochdeutsche Glosse[1] übersetzt aedum mit den Begriffen: cadum, cadhum, kadum. Das sind offensichtlich latinisierte Formen von Gaden. Die beiden Worte haben also keinen gemeinsamen Ursprung. Die ursprüngliche Herkunft des Wortes Gaden ist unklar. Das meint auch Kluges Etymologisches Wörterbuch.

Der Ausdruck dürfte anfangs den umschlossenen Raum im Allgemeinen erfassen, das Haus im ursprünglichen Sinne, und geht dann im Laufe des Mittelalters[2] auf andere Begriffe über, verschwindet aber aus dem modernen Sprachschatz:

  • ‚kleines Anwesen‘ über die frühe Bauform des Eindachhofs – dieser Ausdruck verschwindet mit dieser schlichten Bauform
  • oder es steht für ‚festes Haus‘ als Vorratsgebäude (vergl. Kasten) oder Keller bzw. als Begriff staingadmis für das in Steinbauweise aufgeführte Wohngebäude (1. Hälfte des 14. Jahrhunderts in Südtiroler Urkunden[3]); hier wird das Wort von den allgemein werdenden Haus und Gebäude verdrängt
  • und zum anderen – ähnlich wie Kammer – den abgeteilten Raum innerhalb eines Gebäudes, aber auch im Sinne von Geschoss[4] (für das „Kammer“ nicht stehen kann), etwa „pauen … dar zwair gaden hoch ist“ („Bau, der zwei Stockwerke hoch ist“) im Österreichischen Landrecht 1298[5]. Das Zimmer als Wort für den in – besserer und moderner – Blockbauweise ausgeführter Wohnraum verdrängt das Wort schon im Spätmittelalter, später die heizbare Stube. Auch für die Geschosse führt veränderte Bautechnik (feste Decken) zu moderneren Worten (Stockwerk aus dem Fachwerkbau, Geschoss bei Mauern, später auch Etage)

Das Wort ist im Hochmittelalter auch ein Maß für Bauholz[6], wohl über die zum Bau eines einfachen Gebäudes notwendige Menge als rechtlicher Begriff über Zuteilungen.

Nebenformen sind Gedem, Gadim oder Gahm. Grammatisches Geschlecht ist sächlichdas Gaden, so gibt Grimms Märchen etwa:

„Die altdeutsche Fabel von den Zwölfen, die zum Tursen (Riesen) kommen, und welche die Frau vorher warnt und aufs Gaden steigen heißt, ist nur moralisch anders gewendet.[7]

Als Plural steht Gaden, Gäden, Gademe oder selten Gädmer.[2]

Die Gaden der Kirchhöfe

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Gaden des Kirchhofs Streufdorf (Gemeinde Straufhain)-Zweiländermuseum
 
Gaden in der Kirchenburg Gochsheim

In Deutschland begegnen uns die Gaden im Zusammenhang mit befestigten Kirchen (auch: Kirchenburg, Wehrkirche) besonders in Süddeutschland. An die Außenmauern der Kirchenburg bzw. des befestigten Kirchhofs waren an der Innenseite (außen fensterlose) Lagerräume angefügt, in denen man in ruhigen Zeiten im Notfall, in unruhigen Zeiten ständig, die Erntevorräte sicher aufbewahrte. Die Erdgeschosse dienten oft als Kelter.[8] In Kriegszeiten wurden Gaden auch kurzzeitig bewohnt. Fast komplett durch Gaden umbaute Kirchhöfe haben sich z. B. in Mönchsondheim oder Gochsheim erhalten. Die Kirchenburg von Ostheim v.d. Rhön hatte einst über 70 Gaden in ihrem Kirchhof und hat heute noch mehrere Gadenzeilen.[8] Bauherren der Gaden waren wohlhabendere Dorfbewohner. Für die Gaden war eine jährliche Abgabe an die Kirche zu leisten.[8]

 
Kirchenburg Ostheim v.d. Rhön, Katasterplan von 1830/31. Deutlich zu sehen die enge Bebauung mit mehrzeiliger Gadenstruktur.

Ab Mitte des 18. Jahrhunderts riss man an vielen Orten die Gaden ab, es kam zu einem regelrechten „Gadensterben“[9], v. a. weil sie in ihrer Funktion als geschützte Lagerstätte nicht mehr gebraucht wurden.

Gaden bei Burgen, Wohntürmen und Kirchen

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Obergaden auf einem Turm (Rekonstruktion)

Insbesondere im Zusammenhang mit Schweizer und süddeutschen Wohntürmen spricht man von Gaden oder Obergaden („Oberstübchen“), wenn der Wohnturm einen meist ein-, manchmal auch zweistöckigen Aufbau, zumeist aus Holz, aufweist. In der Regel ragt der hölzerne Obergaden über das letzte gemauerte Stockwerk hinaus.

Auch in der mehrschiffigen Basilika bezeichnet man die Mauer des Mittelschiffs mit ihren Fenstern als Gaden oder Obergaden.[10]

Die an die Außenseite der Trierer hauptmarktnahen Gangolf-Kirche angebauten flachen Verkaufshäuschen werden noch heute Gädemscher (hochdeutsch vielleicht 'Gademchen') genannt.

Ortsnamen

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In verschiedenen Landschaften sind zahlreiche Gaden bis heute erhalten, allein rund 60 in Warendorf.[11] Sie sind oft erblich und werden teilweise noch genutzt oder als Sehenswürdigkeit erhalten.

Der Begriff ist heute nicht mehr sehr verbreitet, er ist jedoch teilweise noch in Orts- oder Eigennamen erhalten, etwa in Endungen auf -gad(en). In Orten mit erhaltenen Gaden blieb auch der Begriff in der Umgangssprache erhalten. Er wird allerdings je nach Landschaft unterschiedlich ausgesprochen und entsprechend unterschiedlich geschrieben. Der Duden hat sich auf die Schreibweise Gaden festgelegt.

An Ortsnamen wie Berchtesgaden ist festzustellen, dass die Abgrenzung zu Ableitungen aus Garten „umzäuntes Anwesen“ (zu ahd. gard/t, „Schutz“, vergl. Gatter) nicht einfach ist.

Sonstiges

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Die Bezeichnung Gaden kommt auch im Kirchenbau vor (Gaden, Lichtgaden, Obergaden) des Kirchenbaus vor und meint dort die Fensterzone im oberen Teil des Mittelschiffs einer Basilika.[12]

Siehe auch

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Literatur

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  • Fred Kaspar: „Daruf einen hauffen gedeme machet.“ Kleine Häuser in großen Reihen. Gadem und Bude, Speicher und Häuschen als Mietwohnung in Nordwestdeutschland. In: Fred Kaspar: Kleine Häuser in großen Reihen (= Einblicke, Schriften der Stiftung Kleines Bürgerhaus, Bd. 3). Imhof, Petersberg 2014, ISBN 978-3-7319-0088-7, S. 48–106 (Vorschau auf imhofverlag.de, abgerufen am 18. August 2024).
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Wiktionary: Gaden – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Elias von Steinmeyer: Die althochdeutschen Glossen. Weidmann, Berlin 1879, Band I: Glossen zu biblischen Schriften. 28, 19 – Eintrag Gadem, Gaden. I I1, in: Deutsches Rechtswörterbuch (DRW).
  2. a b Eintrag Gadem, Gaden. In: Deutsches Rechtswörterbuch (DRW), Heidelberger Akademie der Wissenschaften (drw-www.adw.uni-heidelberg.de)
  3. Hannes Obermair, Helmut Stampfer: Urbane Wohnkultur im spätmittelalterlichen Bozen. In: Schloß Runkelstein – die Bilderburg. Hrsg. von der Stadt Bozen unter Mitwirkung des Südtiroler Kulturinstitutes, Bozen: Athesia 2000. ISBN 88-8266-069-9, S. 397–409, Bezug S. 407.
  4. Eintrag Gadem, Gaden. IV 2, in DRW
  5. In: Ernst von Schwind, Alfons Dopsch (Hrsg.): Ausgewählte Urkunden zur Verfassungsgeschichte der deutsch-österreichischen Erblande im Mittelalter. Innsbruck 1895, Neudruck Aalen 1968, S. 101–105 (nach Eintrag Gadem, Gaden. IV 2, in DRW, Übers. Wikipedia).
  6. Eintrag Gadem, Gaden. IV 1, in DRW.
  7. Anmerkung zu Hänsel und Gretel, in: Brüder Grimm: Kinder und Hausmärchen. Band 3, S. 26.
  8. a b c Joachim Zeune: Gottes Burgen. Kirchenburgen, Wehrkirchhöfe und Wehrkirchen in Franken. 2022, S. 31.
  9. Joachim Zeune: Gottes Burgen. Kirchenburgen, Wehrkirchhöfe und Wehrkirchen in Franken. 2022, S. 32.
  10. Christoph Höcker: Metzler Lexikon antiker Architektur. 2. Aufl. Metzler, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-476-02294-3, S. 101.
  11. Laurenz Sandmann: Zu Besuch beim Lokomotivputzer. In Warendorf wird ein Kleine-Leute-Haus zum Museum. In: Jahrbuch Westfalen, Jg. 49 (1995), S. 6–17, hier S. 16.
  12. Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem, italienischem und spanischem Fachglossar (= Kröners Taschenausgabe. Bd. 194). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X (Digitalisat auf moodle.unifr.ch, abgerufen am 18. August 2024), S. 197: Gaden; S. 312: Lichtgaden; S. 343: Obergaden.