ArchivDeutsches Ärzteblatt PP6/2020Anthroposophie-basierte Therapie: Psychotherapie der inneren Haltung

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Anthroposophie-basierte Therapie: Psychotherapie der inneren Haltung

Stemplinger, Petra

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Ein Buch, das die Begriffe Anthroposophie und Psychotherapie im Titel führt, ist neu. Inhaltlich ist es nicht das erste, es gab viele Beiträge auf dem Weg zu dieser Liaison. Die psychotherapeutische Welt ist unterwegs zu einem integrativen Welt- und Menschenverständnis. Dieses Buch, entstanden aus einem gleichnamigen Psychotherapie-Ausbildungskonzept, liefert einen wichtigen Betrag dazu. Es beschreibt ein Menschenbild und eine Seelenkunde, die per se therapeutisch und befreiend wirken, weil sie das Potenzial haben, die Zerrissenheit und Einsamkeit des modernen Menschen zu überwinden.

Als Fachkollegin erlebe ich eine erstaunliche Resonanz beim Lesen: Zu welcher Ergebniskongruenz man doch findet, obwohl jeder seinen subjektiven Weg durch die therapeutische Landschaft wählt. Entscheidend wichtig also, dass man einen Kompass, einen Fahrplan und eine solide Orientierung an die Hand bekommt. Genau das bietet das vorliegende Buch. Es ist als Erfahrungsbuch für Fachpublikum geschrieben, bietet sich aber auch als Selbsterforschungsbuch für interessierte Laien an. Die Autoren greifen auf von Rudolf Steiner geprägte Begriffe zurück, bedienen sich ansonsten aber einer allgemein verständlichen Sprache. Das erscheint entscheidend wichtig: eine Sprache der Seele zu finden, die jeder versteht und die jeden einlädt, sich zugleich wissenschaftlich exakt und lebendig balanciert auf den Weg der Selbsterkenntnis zu machen. Das führt hinein in Selbstreflexion und erweckt aus der Selbstverständlichkeit die Bewusstheit.

Bewegend ist die Beschreibung des Ganges durch die eigene Ohnmacht von Johannes Reiner. Auch die anderen zahlreichen Fallgeschichten beleuchten indirekt den alltäglichen Gang durch die Ohnmachtserlebnisse mit den Klienten. Deutlich wird die Hoffnung auf ihre Überwindung im Miteinander der therapeutischen Beziehung. Gelungen ist die Einbettung der Inhalte in die Gesamtlandschaft aktueller Forschung von der Quantenphysik bis zur Epigenetik, von der Psychotraumatologie bis zur Kunst. Die Bedeutung der physiologischen Erklärungslücke wird als Aufwachmoment für unser Ich-Bewusstsein treffsicher platziert. Auch kritische politische Töne fehlen nicht.

Das Konzept der Anthroposophie-basierten Psychotherapie wird beschrieben als eine Psychotherapie der inneren Haltung. Eine Einbindung in den historischen Kontext und Bezüge zur Philosophie Hegels, zu Martin Buber und Carl Rogers und vielen mehr werden hergestellt. So ist das Buch auch eines des konstruktiven Dialogs. Der integrative Ansatz dieses Konzeptes ist beeindruckend. Anthroposophie-basierte Psychotherapie baut auf systemisches, tiefenpsychologisches, analytisches, verhaltenstherapeutisches, schematherapeutisches, achtsamkeitsbasiertes Verständnis auf und sucht, ihren Beitrag zur Integration und Dialogvermittlung zu leisten. Alles, was als Therapie auf eine dialogische Bewusstseins- und Beziehungsarbeit gründet, trifft den Kern therapeutischen Handelns. Diese Botschaft klingt überzeugend durch das ganze Buch. Petra Stemplinger

Markus Treichler, Johannes Reiner: Anthropsosophie-basierte Psychotherapie. Grundlagen – Methoden – Indikationen – Praxis. Salumed Verlag, Berlin 2019, 344 Seiten, gebunden, 68,00 Euro

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