Vom Händeschütteln zum „Wuhan Shake“

Politik / 03.03.2020 • 22:35 Uhr
Sich die Hand zu geben, gilt vor allem in westlichen Gesellschaften als wichtiges Begrüßungsritual.
Sich die Hand zu geben, gilt vor allem in westlichen Gesellschaften als wichtiges Begrüßungsritual.

Welchen Einfluss das Coronavirus auf althergebrachte Rituale haben könnte.

innsbruck Zur Begrüßung gibt man sich die Hand. In westlichen Gesellschaften weiß das jedes Kind. Die Geste ist aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Bis jetzt. Wegen des Coronavirus könnte sich das schnell ändern. Immerhin empfehlen viele Experten, auf das Händeschütteln zu verzichten. Damit soll das Ansteckungsrisiko niedrig gehalten werden. Doch kann man so einfach althergebrachte Rituale hinter sich lassen?

Sozialer Affront

Zumindest anfangs könnte das Irritationen hervorrufen, erläutert Beatrix Schönherr. Die aus Alberschwende stammende linguistische Gesprächsforscherin von der Universität Innsbruck setzt sich mit Regeln und Richtlinien auseinander, die den Gesprächsablauf bestimmen. Darunter fallen auch Begrüßungsrituale. „Sie haben die Funktion, dass ich Menschen, die ich nicht gut kenne, signalisieren kann, dass ich zu einem sozialen Kontakt, einer Interaktion bereit bin. Ich zeige, dass ich friedlich gesonnen bin“, erläutert Schönherr. In der westlichen Welt hat sich der Händedruck als bevorzugtes Ritual herausgebildet. Die Expertin unterteilt es in einzelne Schritte: „Eine Person macht ein Angebot, indem sie ihrem Gegenüber ihre Hand hinhält. Im Normalfall ergreift die andere Person die Hand und schüttelt sie. Dann ist das Ritual vollzogen.“ Verhält sich das Gegenüber anders als erwartet und verzichtet auf den Händedruck, entstehe ein sozialer Affront, eine Kränkung, gibt Schönherr zu bedenken. „So ein Verhalten muss begründet werden. Zum Beispiel, indem ein Arzt seinem Gesprächspartner darlegt, dass er im Fall des Händeschüttelns fürchtet, Viren an seine Patienten zu verteilen.“ Noch besser sei es natürlich, wenn er das der anderen Person schon im Vorfeld, also bevor sein Gegenüber die Hand ausstreckt, klarmachen könnte. Grundsätzlich gelte: „Je etablierter die Situation, desto geringer die Irritation.“

Ersatzritual

Schönherr hält es für möglich, dass sich langfristig gesehen ein Ersatzritual zum Händeschütteln herausbilden könnte, sollte das Bewusstsein für die Ansteckungsgefahr weiterhin hoch bleiben. Momentan sei das aber reine Spekulation. Doch auch in anderen Gesellschaften gebe es Rituale ohne Berührung. Die Forscherin nennt Beispiele: „Beim indischen Gruß ‚Namaste‘ werden die Innenflächen der Hand vor der Brust aneinandergelegt und der Kopf leicht gebeugt. Auch in Japan verbeugt man sich zur Begrüßung.“

Zumindest die Menschen aus der chinesischen Stadt Wuhan, dem Epizentrum des Virus, haben sich auf die Suche nach einer Alternative gemacht. Auf einem tausendfach angeklickten Video ist zu sehen, wie zwei Personen auf den Handschlag verzichten und sich stattdessen mit den Füßen begrüßen. Das nennt sich dann augenzwinkernd „Wuhan Shake“ statt „Handshake“. 

„Indem man dem Gegenüber seine Hand hinhält, macht man ein Angebot.“

Vom Händeschütteln zum „Wuhan Shake“