Alfred Lenz sitzt im Auto und schweigt viel. Langsam fährt er die Ortsstraßen entlang, vorbei an Sandsäcken und Schlammbergen, an Feuerwehrautos, die Wasser aus Kellern pumpen, an Soldaten des Österreichischen Bundesheeres, die durch überflutete Weizenfelder waten, vorbei an Passanten, die ihm müde vom Straßenrand zunicken. Im Auto läuft Radio Steiermark, die Band STS besingt gerade die "guate alte Zeit", danach folgt ein kurzer Nachrichtenblock. Sobald Lenz das Wort "Überschwemmungen" hört, dreht er lauter.
Es ist Montag um kurz nach 15 Uhr, Tag vier. Alfred Lenz ist erschöpft. In den vergangenen 96 Stunden hat der 60-Jährige vielleicht acht Stunden geschlafen, seine Augen sind müde und leer. Lenz ist ÖVP-Bürgermeister von Heimschuh, einer Gemeinde mit 2.000 Einwohnern im steirischen Sulmtal, benannt nach dem gleichnamigen Fluss, der durch den Ort fließt. Die Gemeinde liegt eigentlich in einer der bekanntesten Weinbaugegenden der Steiermark, 20 Minuten von der slowenischen Grenze entfernt. Heute liegt Heimschuh mitten in einem Katastrophengebiet.
Seit
Donnerstagabend wurden große Teile der Südsteiermark und Unterkärntens
überschwemmt. In einigen Wetterstationen wurde noch nie so viel Niederschlag in
so kurzer Zeit gemessen: In manchen Regionen hat es innerhalb von 48 Stunden
mehr geregnet als im Schnitt im gesamten Monat August. In Bad Eisenkappel in
Südkärnten etwa waren es 200 Liter pro Quadratmeter, auf der Wetterstation am
Loiblpass an der Grenze zu Slowenien regnete es von Donnerstag bis Montag knapp
300 Liter. Das entspricht zwei vollgefüllten Badewannen – pro
Quadratmeter.
Die Schäden in Heimschuh sind verheerend
Besonders
verheerend ist die Lage im benachbarten Slowenien, wo zwei Drittel des Landes
von Überflutungen betroffen sind. Es handle sich um "die schwerste Naturkatastrophe"
seit mehr als 30 Jahren, sagte Ministerpräsident Robert Golob am Wochenende.
Der Schaden belaufe sich auf mehr als eine halbe Milliarde Euro, bis
Dienstagmorgen starben wegen des Hochwassers in Slowenien sechs Menschen. Auch
in Kärnten musste am Sonntag der erste Tote beklagt werden. Nahe St. Veit
an der Glan wurde ein Mann auf einem gesperrten Radweg in den Fluss gerissen.
Er konnte nur noch leblos geborgen werden.
Im Süden Österreichs hat sich die Lage seit Montag zwar etwas beruhigt: Der Regen hat aufgehört, die Wasserpegel gehen zurück. Aber noch immer sind Tausende Feuerwehrleute und freiwillige Helfer im Einsatz, die gegen das Wasser und Geröll ankämpfen. Viele Gemeinden haben Probleme mit der Wasserversorgung, weil Leitungen gebrochen und Kläranlagen zerstört wurden.
Hunderte Menschen mussten seit Donnerstag in Sicherheit gebracht werden, andere sind seit Tagen auf ihren Grundstücken eingesperrt. In Kärnten sind noch immer einzelne Ortsteile komplett von der Außenwelt abgeschnitten. In der 2.000-Einwohner-Gemeinde Bad Eisenkappel müssen Familien über eine Luftbrücke mit Lebensmitteln und Medikamenten versorgt werden, weil die Flut ganze Zufahrtsstraßen weggerissen hat.
Auch in der Gemeinde Heimschuh sind die Schäden verheerend. Jetzt, wo das Wasser zurückgegangen ist, sieht man erst das ganze Ausmaß. Viele Eingangstüren stehen am Montag in Heimschuh offen, Böden werden herausgerissen, kaputte Elektrogeräte zum Sperrmüll gebracht. Eine junge Frau schleppt unter Tränen einen Koffer zu ihrem Auto. "Es ist alles verloren", sagt sie.