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deutscher Chemiker, ehemaliger Präsident der TU München Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Wolfgang Anton Herrmann (* 18. April 1948 in Kelheim) ist ein deutscher Chemiker. Er war von 1995 bis 2019 Präsident der Technischen Universität München (TUM).
Aufgewachsen als Sohn des Lehrers, Organisten und Kommunalpolitikers Ferdinand Herrmann (1918–1991) in der Dorfgemeinde Ihrlerstein, besuchte Herrmann das Donau-Gymnasium Kelheim, wo er 1967 das Abitur ablegte. Anschließend studierte er Chemie an der TH (ab 1970: TU) München als Stipendiat der Bischöflichen Studienstiftung Cusanuswerk, wo er 1971 beim späteren Nobelpreisträger Ernst Otto Fischer seine Diplomarbeit anfertigte. Er wurde 1973 mit einer Arbeit über optisch aktive Übergangsmetall-Komplexe bei Henri Brunner an der Universität Regensburg zum Dr. rer. nat. promoviert.[1] Nach einem Forschungsstipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) bei Philip Skell an der Pennsylvania State University (USA) von 1975 bis 1976 habilitierte er sich 1978 an der Universität Regensburg mit einer Experimentalarbeit über „Organometall-Synthesen mit Diazoalkanen“.
1979 erhielt er einen Ruf an die Universität Regensburg. 1982 wechselte er auf einen Lehrstuhl an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. 1985 wurde er Nachfolger von Ernst Otto Fischer auf dessen Lehrstuhl an der TU München und Vorstand am Anorganisch-Chemischen Institut. Von 1988 bis 1990 war er Dekan der Fakultät für Chemie.
Wolfgang Herrmann wurde 1995 Präsident der TU München. 1999, 2005, 2007 und 2013 wurde er als Präsident wiedergewählt.
Herrmann wurde durch den Hochschulrat der TU München viermal wiedergewählt, jeweils einstimmig, zuletzt am 20. Februar 2013 (für weitere sechs Jahre). Von 2015 bis 2017 war er zugleich kommissarischer Rektor der Hochschule für Politik München (HfP), deren Trägerschaft durch den Bayerischen Landtag auf die Technische Universität München übertragen wurde (HfP-Gesetz zum 1. Dezember 2014). Herrmann war 2017–2019 der Vorsitzende der Strukturkommission, die das Gesamtkonzept zur Gründung der neuen Technischen Universität Nürnberg erarbeitete.[2] Er ist Vorsitzender des Hochschulrats der TH Ingolstadt.[3]
Er war Mitglied des Aufsichtsrats von Evonik Industries (Essen) und Mitglied des Kuratoriums der Bertelsmann Stiftung (Gütersloh)[4] sowie Vorsitzender des Kuratoriums der TÜV-Süd-Stiftung und Vorsitzender des Aufsichtsrats der Bayerischen Forschungsallianz (München). 2008 wurde er in das Governing Board des „European Institute of Innovation and Technology“ (EIT) berufen, einer Neugründung durch die Europäische Union. Nachdem er 2014-2020 Vorsitzender des Zukunftsrats der Bayerischen Wirtschaft (vbw) war, leitet er ab 2021 den Gründungsbeirat des Deutschen Zentrums Mobilität der Zukunft.[5] Er ist seit 2019 Vorsitzender des Innovationsbeirats der Sächsischen Staatsregierung.[6]
Herrmann war Mitglied der 11. Bundesversammlung (1999).
Er ist Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina (seit 1995),[7] der acatech – Nationale Akademie der Technikwissenschaften,[8] der Royal Swedish Academy of Engineering Science, der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz,[9] des Kuratoriums der Konrad-Adenauer-Stiftung,[10] des Kuratoriums der Roland Berger-Stiftung[11], des Senats der Max Planck-Gesellschaft[12] und seit 2023 Mitglied im Board of Trustees der Nanyang Technical University Singapore (NTU)[13].
Im August 2010 positionierte sich Herrmann als einer von 40 Unterzeichnern des Energiepolitischen Appells, einer Lobbyinitiative der großen Stromkonzerne RWE, Vattenfall und E.ON, um die Laufzeitverlängerung deutscher Kernkraftwerke voranzubringen. Gleichzeitig setzt er sich für die „Grünen Technologien“ ein, die an der TU München langfristig als Forschungsschwerpunkte angelegt sind, z. B. Elektromobilität, Energieeffizientes Bauen und Planen.[14]
Seit dem 14. Juni 2015 ist Herrmann auch Ehrenmitglied der katholischen Studentenverbindung KDStV Vindelicia München im Cartellverband.[15]
Am 30. September 2019 übergab Herrmann als längstamtierender Präsident einer deutschen Universität nach 24 Jahren als Präsident der TU München sein Amt an seinen Nachfolger Thomas F. Hofmann.[16]
Herrmann ist seit seiner Jugend als ehrenamtlicher Organist tätig und tritt als solcher auch in Konzerten auf. Er ist verheiratet mit der Oberstudienrätin Freya Herrmann und hat fünf Kinder. Mittlerweile lebt Herrmann mit seiner ehemaligen Doktorandin und Mitarbeiterin Ana Santos in Garching bei München.[17][18][19] Sein Sohn Florian Herrmann ist seit 2008 direkt gewähltes Mitglied des Bayerischen Landtags für den Stimmkreis Freising und seit 2018 Leiter der Bayerischen Staatskanzlei sowie Bayerischer Staatsminister für Bundesangelegenheiten und Medien.
In die Kritik geriet Herrmann 1998, als er beim Ball des Wiener Korporationsrings mit dem „Ehrenschutz“ die Schirmherrschaft übernahm.[20][21][22] Herrmann wurde vorgeworfen, damit indirekt die im WKR vertretenen Burschenschaften unterstützt zu haben, darunter unter anderem die von Medien und Politikern als rechtsradikal eingeschätzte Teutonia. Politiker von SPD und Grünen forderten seinen Rücktritt. Der Journalist Josef Joffe sah in den Vorwürfen eine politisch motivierte Verleumdung durch den Grünen-Abgeordneten Christian Magerl.[23] Das zuständige bayerische Ministerium stellte sich hinter Herrmann.
Anfang 2001, kurz vor seiner ersten Wiederwahl als TU-Präsident, war Herrmann designierter bayerischer Staatsminister für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz. Aufgrund eines laufenden Ermittlungsverfahrens wegen Steuerhinterziehung sagte er kurz vor der Ernennung ab.[24] Infolge des Ermittlungsverfahrens wurde Herrmann mit einer Geldstrafe von 45.000 Mark belegt.[25]
2015 wurde Herrmann wegen seines Vorhabens kritisiert, für nahezu jeden Masterstudiengang der TU München die Lehrsprache auf Englisch umzustellen. Der Verein Deutsche Sprache würdigte diese Pläne mit dem Negativpreis „Sprachpanscher des Jahres“.[26]
Die Fach- und Arbeitsgebiete Herrmanns sind die Metallorganische Chemie und Katalyse, die industriellen Katalyseprozesse, ferner Metall-Metall-Mehrfachverbindungen sowie Mehrfachverbindungen zwischen Übergangsmetallen und Hauptgruppenelementen, Organolanthanoid-Komplexe, wasserlösliche Katalysatoren, anorganische und organische Werkstoffe sowie Metalleffekte in biologischen Systemen. Er gehört mit einem h-Index von 106 (Stand 16. Februar 2022)[27] zu den international meistzitierten deutschen Chemikern.[27]
Internationale Anerkennung fanden seine Arbeiten auf dem Gesamtgebiet der Metallorganischen Chemie, insbesondere aber seine Forschungsergebnisse zur präparativen Erschließung neuer Stoffklassen und zur Entwicklung wasserlöslicher metallorganischer Katalysatoren für die industrielle Anwendung. Zu den Pionierleistungen zählt die Entdeckung, dass N-Heterocyclencarbene eine strukturell vielseitig modifizierbare neuartige Ligandenklasse zur effizienten Steuerung katalytischer Prozesse an Metallzentren sind (sog. Organometall-Katalyse).[28] Für Anwendungen in der industriell bedeutsamen Olefinmetathese wurden Patente erteilt,[29] deren Prioritätsansprüche sich gegenüber den strukturanalogen sog. Grubbs-Katalysatoren der Materia Inc. in einem jahrelangen Patentstreitverfahren 2017 in den USA durchsetzten.[30]
Herrmanns wissenschaftliches Werk ist in bisher mehr als 720 Originalpublikationen und zahlreichen Übersichtsartikeln sowie Buchbeiträgen niedergelegt; seine Fachpublikationen wurden bisher über 50.000 mal zitiert.[27] Unter Herrmanns wissenschaftlicher Anleitung sind bisher ca. 150 Dissertationsarbeiten entstanden. Mehrere seiner Schüler wurden auf Lehrstühle berufen, unter anderen: Jun Okuda (RWTH Aachen), Roland A. Fischer (Uni Bochum, seit 2015 Herrmanns Nachfolger an der TU München), Werner R. Thiel (TU Kaiserslautern), Peter W. Roesky (KIT Karlsruhe), Alexander Filippou (Uni Bonn), Matthias Wagner (Uni Frankfurt/Main).
Er wirkte bei der Veröffentlichung der dreibändigen Monographie „Applied Homogeneous Catalysis with Organometallic Compounds“ (Hrsg. Boy Cornils, Wolfgang A. Herrmann; 2. Aufl. VCH-Wiley 2002), das 1996 erstmals erschien, des 5-bändigen Standardwerks „Catalysis from A to Z“ (5. Auflage, VCH-Wiley, 2019), sowie der 10-bändigen Serie „Synthetic Organometallic and Inorganic Chemistry“ (Hrsg. Wolfgang A. Herrmann; Thieme-Verlag 1995–2001) mit. 1993–2013 war er Herausgeber bei der internationalen Fachzeitschrift Journal of Organometallic Chemistry.
Zu seinen ehrenamtlichen Funktionen gehörte von 1998 bis Mai 2014 der Vorsitz des Verwaltungsrats des Deutschen Museums München. Von 2002 bis 2004 war er Vorsitzender der Bayerischen Rektorenkonferenz und von 2004 bis 2005 Vorsitzender der Universität Bayern e. V., deren Gründung als Zusammenschluss der bayerischen Universitäten er initiierte. Seit 2006 ist er Mitglied im Beirat „Frauen in der Wissenschaft“ der Robert-Bosch-Stiftung. Er war bis 2019 Chairman der „Global Tech Universities Alliance“, dem Zusammenschluss von 11 internationalen technischen Spitzenuniversitäten.
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