Unternehmen – Die Pleitewelle rollt heran.
Die Ruhe vor dem Sturm
Steigende Rohstoff- und Energiepreise, gestörte Lieferketten, sinkendes Konsumklima: Die deutschen Unternehmen sehen sich aktuell vielen Belastungsfaktoren gegenüber. Noch schlägt sich dies zwar nicht in steigenden Ausfallraten nieder. Vielmehr liegt die Anzahl der Insolvenzen im Unternehmenssektor auf niedrigem Niveau. Doch dies wird nicht so bleiben.
Die derzeitige Situation stellt die berühmte „Ruhe vor dem Sturm“ dar. Zwar gab es prominente Insolvenzen wie den Hygienehersteller Hakle oder den Schuhhändler Görtz. In der Breite geht es den Unternehmen jedoch noch gut. Ein Blick auf die Komponenten des ifo-Geschäftsklimas verdeutlicht eine große „Fallhöhe“ der deutschen Wirtschaft: Während die aktuelle Lage mehrheitlich noch als gut eingeschätzt wird, vollzogen die Erwartungen einen Absturz. Der Abstand zwischen beiden Komponenten war noch nie so groß.
Massiv gestiegene Energie- und Rohstoffpreise verteuern die Kostenbasis vieler Unternehmen. Dabei verfügen nicht alle von ihnen über die Preissetzungsmacht, höhere Kosten weiterzugeben. Hinzu kommen bei zahlreichen Firmen rückläufige Umsätze aufgrund einer Kaufzurückhaltung der Kunden. Die Inflation führt zu massiven Reallohnverlusten. Das Verbrauchervertrauen befindet sich auf einem Allzeittief. Jede nicht zwingend notwendige Konsumausgabe wird überdacht und ggf. zurückgestellt.
Bei mangelnder langfristiger Perspektive dürften viele Firmeninhaber aus ökonomischer Ratio heraus eine Betriebsaufgabe in Erwägung ziehen, bevor sämtliche Vermögenswerte aufgezehrt sind.
Staatliche Hilfsprogramme dürften den Anstieg der Insolvenzzahlen begrenzen. Insbesondere die beschlossene Deckelung der Energiepreise und Erleichterungen im Insolvenzrecht, bekannt aus Pandemie-Zeiten, werden viele Pleiten zunächst verhindern.
Geschäftsmodelle auf dem Prüfstand
Die mittel- und längerfristige Perspektive spricht derweil für steigende Ausfallraten. Die Zeit billigen russischen Gases ist vorbei, eine Rückkehr zu alten Energiepreislevels ist auf Jahre nicht zu erwarten. Gegenüber den Verhältnissen der Zeit vor dem Ukraine-Krieg hat sich der durchschnittliche Strompreis für Neuabschlüsse in der deutschen Industrie grob verdoppelt.
Eine staatliche Subventionierung der Energiepreise ist dauerhaft nicht zu leisten. Neben der Frage der Finanzierbarkeit drohen hier auch wettbewerbliche Hürden. Zahlreiche Geschäftsmodelle werden sich auf Basis höherer Energiepreise in Deutschland nicht mehr rechnen. Nicht immer muss dies zu einer Insolvenz führen. Größere Unternehmen denken über eine Verlagerung der Produktion an günstigere Standorte nach. Das Schlagwort einer „Deindustrialisierung“ Deutschlands steht im Raum, nicht zuletzt für energieintensive Branchen.
Für kleinere Firmen wie die oft genannten Bäckereien und Wäschereien ist eine Standortverlagerung kein gangbarer Weg. Bei mangelnder langfristiger Perspektive dürften viele Firmeninhaber aus ökonomischer Ratio heraus eine Betriebsaufgabe in Erwägung ziehen, bevor sämtliche Vermögenswerte aufgezehrt sind.
Sowohl bei den Insolvenzen als auch bei den Gewerbeabmeldungen ist eine exakte Prognose aufgrund der staatlichen Eingriffe schwierig; drastische Anstiege sind wahrscheinlich. Vom aktuell sehr niedrigen Niveau aus rechnen wir für 2023 mit einem Plus bei den Insolvenzen von 30 % auf rund 19.000. Eine gleich hohe Steigerung bei den Geschäftsaufgaben impliziert ca. 700.000 Gewerbeabmeldungen. In wirtschaftlich ruhigen Zeiten wiegen die Neugründungen die Abmeldungen mehr als auf. Ob in den aktuellen unsicheren Zeiten der Mut für so viele Neugründungen vorhanden ist, darf bezweifelt werden.
Mehr Informationen dazu finden Sie hier: https://www.lbbw.de/ausblick-2023
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