ChatGPT gegen Gemini – Wer ist die Besser Führungskraft? – Runde 2: Teamführung

ChatGPT gegen Gemini – Wer ist die Besser Führungskraft? – Runde 2: Teamführung

Wir gehen in die die zweite Runde unseres spielerischen, aber durchaus ambitionierten Zweikampfs zwischen ChatGPT und Gemini um die Frage zu beantworten: Welche KI ist die bessere Führungskraft? In der ersten Runde des Vergleichs von ChatGPT und Gemini mussten sich die beiden KIs in einer Fallstudie zur jeweils individuellen Führung von unterschiedlichen Mitarbeitern innerhalb eines Teams beweisen und dabei auf Erkenntnisse der Führungsforschung zurückgreifen. Insgesamt konnten die Einschätzungen und abgeleiteten Führungsentscheidungen von ChatGPT doch stärker überzeugen als die von Gemini. Mit diesem 1:0 Rundenführung geht es nun in den zweiten Durchgang.

Neben der Frage der mitarbeiterindividuellen Führung stehen Führungskräfte oft vor der Herausforderung auch das Team, eine Abteilung oder einen Bereich „als Ganzes“ zu führen. Darum geht es in dieser zweiten Runde. Doch wie lässt sich so etwas als Wettbewerbsformat umsetzen. „Um hier eine möglichst hohe Objektivität und Validität zu erhalten braucht es zwei Grundlagen: Eine möglichst gut ausgearbeitete und realitätsnahe Fallstudie einerseits sowie eine Art ‚Musterlösung‘ andererseits, an der sich die Antworten der KIs messen lassen“, beschreibt Prof. Dr. Michael Knörzer vom APRIORI HR:LAB das Untersuchungsdesign: „Die Fallstudie sollte detailreich sein und die Führungssituation gut beschreiben, ohne zu direkte Lösungshinweise zu geben, sodass die KIs auch tatsächlich interpretieren müssen. Vorgegeben haben wir aber, an welchen führungstheoretischen Grundlagen wir die Güte der Fallstudienbearbeitung messen“. In diesem Fall ging es um eine Führungskraft, die sich im Rahmen eines Business Reengineerings der Neugestaltung seiner eigenen Abteilung stellen muss und dabei zum einen auf die sehr speziellen und unterschiedlichen Bedürfnisse seiner Teammitglieder achten muss sowie zum anderen das Teams als Ganzes durch den Veränderungsprozess zu bringen hat. Als Vorgabe zur Lösungsfindung sollten sich die beiden KIs des normativen Führungsmodells berühmten Wirtschaftspsychologen Victor Vroom von der Yale University orientieren. Vroom, einer der Mitbegründer der modernen prozesstheoretischen Motivationsforschung, veröffentlichte seine Führungstheorie erstmals in den 1970er Jahren mit Philip Yetton (Vroom-Yetton-Modell) und entwickelte es später mit Arthur Jago weiter (Vroom-Yetton-Jago-Modell), wobei das Modell über die Zeit immer weiter an die neuesten Erkenntnisse der Führungsforschung angepasst wurde (siehe beispielsweise den Artikel von Vroom 2003 in unseren Literaturhinweisen). „Das Modell ist sehr komplex, da es sehr viele Aspekte der Teamführungssituation einbezieht und gegeneinander abwägt. Insofern stellt es eine deutlich höhere Anforderung an die KIs als unser Individualführungstest auf Basis des situativen Führungsmodells von Hersey &Blanchard in Runde 1“, beschreibt Prof. Knörzer die gestiegenen Anforderungen. 

Und im Ergebnis?

ChatGPT begründet seine Entscheidung insgesamt etwas umfangreicher und detaillierter als Gemini und antwortet bis auf kleinere Präzisierungs-, Erläuterungs- und Ergänzungsbedarfe fast mustergültig. Allerdings nur fast. Es prüft alle relevanten Kriterien durch, gibt die situationsbedingt bis auf eine Ausnahme die „richtigen“ Einschätzungen zu den jeweiligen Entscheidungskriterien … und wählt schlussendlich einen etwas zu ,partizipativen‘ Ansatz: „Das Schwierige am Vroom-Yetton-Jago-Modell ist zugleich das, was seine Stärke ist: Seine Komplexität, nämlich die Einbeziehung vieler Situationsdeterminanten, Entscheidungsregeln und Führungsstile“, erläutert Prof. Knörzer: „Wenn man in diesem komplexen Entscheidungsbaum einmal falsch ‚abbiegt‘, kommt man in Konsequenz am ‚falschen‘ Ende heraus“. Deutlich zu optimistisch schätzt ChatGPT die Problemlösungskompetenz der Teammitglieder ein, die zwar fachlich hochqualifiziert im F&E-Bereich sind und insofern von dieser Seite Ideen besteuern können, für die zu treffende Managemententscheidung allerdings nicht das über erforderliche Wissen verfügen. Insofern scheint ein delegativer Führungsstil, wie ihn ChatGPT hier vorschlägt, gemäß der Vorgaben des VYJ-Modells nicht passend, aber „innerhalb seiner Einschätzung argumentiert ChatGPT sehr plausibel und stringent“, bewertet Prof. Knörzer das Ergebnis. Gemini trifft die „Musterlösung“ eines konsultativen Führungsstils mit einer Entscheidung der Führungskraft unter Einbeziehung der Gruppe in den Entscheidungsprozess ‚besser‘. Damit gelingt Gemini der Ausgleich in unserem kleinen Wettbewerb. 

Als Zwischenfazit hält Prof. Dr. Michael Knörzer vom APRIORI HR:LAB fest: „Unabhängig vom spielerischen Charakter unserer kleinen Untersuchung gilt es festzuhalten, dass beide Programme sehr gut mit unscharfen Informationen umgehen und diese bewerten können. Auch die Übertragung von letztlich sozialen Entscheidungssituationen auf modell-theoretisch Konzepte ist insgesamt beeindruckend“. 

Die Entscheidung muss nun in der dritten und letzten Runde fallen.



Literaturhinweise

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