Cannondale Scalpel HT im Test: „The Purest Form of Racing!“ Auf diese Art und Weise beschreibt Cannondale den Einsatzzweck ihres neuen Race-Hardtails Scalpel HT. Das Cannondale F-Si mit all seinen Erfolgen unter Manuel Fumic, Marco Fontana und Co. ist Geschichte, von nun an geht es bei der amerikanischen Traditionsfirma im wörtlichen Sinne nur noch messerscharf zu: Mit einem äußerst progressiven Ansatz will Cannondale das etwas eingestaubte Image von Hardtails im Cross-Country- und Marathon-Bereich aufpolieren. Ob und inwiefern das gelingt, konnten wir im Test des neuen Scalpel HT herausfinden.
Steckbrief: Cannondale Scalpel HT
Einsatzbereich | Cross-Country |
---|---|
Federweg | 110 mm (vorn) |
Laufradgröße | 29ʺ |
Rahmenmaterial | Carbon |
Gewicht (o. Pedale) | 9,6 kg |
Rahmengrößen | S, M, L, XL (im Test: L) |
Website | www.cannondale.com |
Preisspanne | 2.499 Euro - 6.999 Euro |
Neuer Name, neues Konzept: Cannondale geht im Bereich der Race-Hardtails in die Vollen und löst das über Jahre hinweg etablierte und erfolgreiche F-Si-Modell ab. Das neue Race-Hardtail der amerikanischen Bikefirma hört jetzt auf denselben Namen wie das in der Rennszene etablierte Race-Fully Scalpel und sorgt genauso wie der große, vollgefederte Bruder bei seiner Veröffentlichung vor zwei Jahren für viel Furore in der Szene.
Mit einer progressiven Geometrie getreu des allgemeinen Branchentrends „lang und flach“ hebt sich das neue Scalpel HT in besonderer Form von den gängigen Konventionen auf dem Markt der XC-Hardtails ab. Mit an Bord des neuen Scalpel HT ist erwartungsgemäß auch die markante Lefty Ocho-Federgabel, zudem wurde laut den Entwicklern von Cannondale besonders viel Wert auf hohen Komfort bei der Neuentwicklung des Rades gelegt.
Im Detail
Markantes Highlight des neuen Scalpel HT ist allemal die lange und flache Geometrie – dazu jedoch an späterer Stelle mehr. Aber nicht nur im Hinblick auf die Geometrie veränderten die Entwicklerinnen und Entwickler von Cannondale grundlegende Dinge im Vergleich zum Vorgängermodell F-Si: Neben einem geringen Gewicht von 895 Gramm (Größe M, Herstellerangabe), welches dank hoch-modularer Carbon-Fasern erreicht wird (für das Topmodell Hi-Mod 1), stand bei der Entwicklung des Scalpel HT vor allem der Komfort des Rades im besonderen Fokus.
Der komplette Hinterbau mit Kettenstreben, Sitzstreben und Sitzrohr wurde daraufhin optimiert, Schläge des Untergrunds möglichst ideal zu absorbieren. Die Sitzstreben sind wie auch bei den Straßen-/Gravel- und Cyclocross-Modellen der SuperSix EVO-Serie von Cannondale im Vergleich zum Oberrohr leicht abgesenkt und zudem sehr dünn gestaltet: Dies soll einen hohen vertikalen Flex ermöglichen. Zusätzlich sind die Kettenstreben mit speziellen „Flex“-Zonen ausgerüstet, die ebenfalls Unebenheiten abmildern sollen. Dieses Prinzip wurde bereits erfolgreich beim großen Bruder des Scalpel HT, dem Scalpel Race-Fully, umgesetzt. Dort ersetzen die speziell konzipierten Kettenstreben ein Gelenk des Hinterbaus und imitieren dieses in gewisser Weise.
Überdies rollt das neue Cannondale-Hardtail nicht mehr nur auf 100 Millimeter Federweg daher: In der Hi-MOD 1-Top-Variante des Race-Hardtails verbaut Cannondale die etwas robustere Lefty Ocho 120-Gabel mit einem Federweg von 110 Millimeter, bei allen anderen Modellen kommt die etwas ältere Lefty Ocho oder die RockShox SID SL mit jeweils 100 Millimetern Federweg zum Einsatz. Wesentliches Merkmal des Scalpel HT bleibt dementsprechend bei den beiden teuersten Modellen das veränderte Fahrverhalten durch den verlängerten Offset der Lefty-Federgabeln von 50 Millimeter (Lefty Ocho 120) beziehungsweise 55 Millimeter (Lefty Ocho). Dieser soll laut Cannondale insbesondere dafür sorgen, dass trotz der veränderten Geometrie mit flachem Lenkwinkel das Rad weiterhin agil und wendig bleibt.
Das Cannondale Scalpel HT orientiert sich in Bezug auf die technischen Standards an den aktuellen Trends auf dem Markt. Der Antrieb kann branchentypisch nur mit einem Kettenblatt ausgerüstet werden, sowohl elektrisch-kabellose Antriebe wie auch mechanische Schaltungen sind montierbar. Für die verschiedenen notwendigen Kabel hält das Scalpel Öffnungen zur Verlegung der Züge im Inneren des Rahmens parat, die alternativ mit Plastikstopfen abgedeckt werden können.
Geometrie
Nun zum Highlight des neuen Scalpel HT – der Geometrie: Getreu des Mottos „lang und flach“ stattet Cannondale das Scalpel HT mit den progressivsten Werten in Bezug auf Lenkwinkel und Radstand im Bereich der Race-Hardtails aus: Dies bedeutet konkret, dass das Scalpel HT einen Lenkwinkel von 66,5° besitzt und damit in Kombination mit dem langen Gabeloffset der Lefty Ocho in Rahmengröße L auf einen Radstand von 1.181 Millimeter kommt. Zum Vergleich: Das bisherige Maximum in dieser Hinsicht wurde im Bereich der XC-Hardtails von BMC mit dem Modell Twostroke erreicht: Ein Lenkwinkel von 67° und ein Reach von 465 Millimeter in Rahmengröße L resultiert in einem Radstand von 1.161 Millimeter.
Spannend ist beim Scalpel HT besonders der Ansatz der Entwickler*innen, die negativen Effekte der langen, vermeintlich trägen Geometrie auszugleichen: Die Kettenstreben werden beim neuen Scalpel im Rahmen des sogenannten „Proportional Response“-Ansatzes mit jeder Rahmengröße um 5 Millimeter verlängert. So will man für jede Rahmengröße eine optimale Lösung für die Herausforderungen eines agilen, spritzigen Fahrverhaltens und zugleich einer mittigen Position auf dem Rad ermöglicht haben. Auffällig: Für große Rahmengrößen fallen die Kettenstreben ungewohnt lang aus. Cannondale begründet das damit, dass so die zuvor gewünschten Effekte auch bei besonders großen Fahrerinnen und Fahrern erreicht werden könnten.
Eine zentrale, eher kompakte Sitzposition wird darüber hinaus durch einen steilen Sitzwinkel von 75° erreicht, der in Kombination mit einem kürzeren Reach von 444 Millimeter in Rahmengröße L kurze Wege zum Cockpit ermöglicht. Dieses setzen die Entwickler bei Cannondale recht hoch an: Eine Steuerrohrlänge von 122 Millimeter in Rahmengröße L lässt sich an wenigen vergleichbaren Race-Hardtails finden, üblicherweise liegen die Werte zwischen 95 Millimeter und 110 Millimeter bei gleicher Rahmengröße.
Rahmengröße | S | M | L | XL |
---|---|---|---|---|
Laufradgröße | 29″ | 29″ | 29″ | 29″ |
Reach | 404 mm | 423 mm | 444 mm | 465 mm |
Stack | 607 mm | 617 mm | 629 mm | 641 mm |
STR | 1,50 | 1,46 | 1,42 | 1,38 |
Lenkwinkel | 66,5° | 66,5° | 66,5° | 66,5° |
Sitzwinkel, effektiv | 74,5° | 74,5° | 74,5° | 74,5° |
Sitzwinkel, real | 72,7° | 73,5° | 74,1° | 74,6° |
Oberrohr (horiz.) | 572 mm | 594 mm | 617 mm | 642 mm |
Steuerrohr | 99 mm | 110 mm | 122 mm | 135 mm |
Sitzrohr | 390 mm | 440 mm | 480 mm | 530 mm |
Überstandshöhe | 754 mm | 790 mm | 819 mm | 855 mm |
Kettenstreben | 430 mm | 435 mm | 440 mm | 445 mm |
Radstand | 1.123 mm | 1.151 mm | 1.181 mm | 1.212 mm |
Tretlagerabsenkung | 59 mm | 59 mm | 59 mm | 59 mm |
Tretlagerhöhe | 318 mm | 318 mm | 318 mm | 318 mm |
Gabel-Offset | 50 mm | 50 mm | 50 mm | 50 mm |
Federweg (vorn) | 110 mm | 110 mm | 110 mm | 110 mm |
Rahmengröße | S | M | L | XL |
---|---|---|---|---|
Laufradgröße | 29″ | 29″ | 29″ | 29″ |
Reach | 410 mm | 430 mm | 450 mm | 470 mm |
Stack | 602 mm | 612 mm | 623 mm | 635 mm |
STR | 1,47 | 1,42 | 1,38 | 1,35 |
Lenkwinkel | 67° | 67° | 67° | 67° |
Sitzwinkel, effektiv | 75° | 75° | 75° | 75° |
Sitzwinkel, real | 73,2° | 74° | 74,6° | 75° |
Oberrohr (horiz.) | 571 mm | 594 mm | 617 mm | 640 mm |
Steuerrohr | 99 mm | 110 mm | 122 mm | 135 mm |
Sitzrohr | 390 mm | 440 mm | 480 mm | 530 mm |
Überstandshöhe | 748 mm | 785 mm | 814 mm | 850 mm |
Kettenstreben | 430 mm | 435 mm | 440 mm | 445 mm |
Radstand | 1.124 mm | 1.154 mm | 1.183 mm | 1.214 mm |
Tretlagerabsenkung | 62 mm | 62 mm | 62 mm | 62 mm |
Tretlagerhöhe | 315 mm | 315 mm | 315 mm | 315 mm |
Gabel-Offset | 55 mm | 55 mm | 55 mm | 55 mm |
Federweg (vorn) | 100 mm | 100 mm | 100 mm | 100 mm |
Ausstattung
Vier verschiedene Modelle stellt Cannondale zur Verfügung: Die Speerspitze bildet dabei das getestete Hi-Mod 1-Modell mit einem Mix aus Shimanos XTR- und XT-Antrieb. Die weiteren Anbauteile stammen bei diesem Modell größtenteils aus der hauseigenen Cannondale-Produktion, zudem kommt, wie bereits erwähnt, die Lefty Ocho 120 Federgabel mit 110 Millimeter Federweg zum Einsatz. So wie auch die Laufräder, die aus eine Co-Produktion mit den Schweizer Laufradspezialisten von DT Swiss entstammen. Das Hi-Mod 1 Modell kostet 6.999 €.
Neben dem angesprochenen Topmodell existieren drei weitere Modellvarianten des Scalpel HT, deren günstigste Version für 2.499 € den Besitzer wechselt. Alle drei Varianten, die auf die Namen Scalpel HT 2, 3 und 4 hören, kommen mit einem etwas günstigeren und daher auch schwereren Carbon-Rahmen daher. Auch Federgabel und Federweg unterscheiden sich bei diesen Modellen im Vergleich zur Hi-Mod 1-Variante: Am Scalpel HT 2 wird die ältere Lefty Ocho-Federgabel mit 100 Millimeter Federweg verbaut, die Scalpel HT 3 und 4-Modelle nutzen jeweils eine RockShox SID SL mit 100 Millimeter. Dementsprechend ändert sich auch der Lenkwinkel dieser Modelle und steigt auf 67°.
Alle vier Modelle werden standardmäßig ohne absenkbare Vario-Sattelstütze ausgeliefert, können eine solche aber dank Öffnungen im Rahmen über innenverlegte Züge aufnehmen. Der Sattelstützendurchmesser beträgt 27,2 Millimeter, was eine Nutzung aktueller elektronischer Sattelstützen ausschließt.
- Federgabel Lefty Ocho 120 Carbon (110 mm)
- Antrieb Shimano XT / XTR
- Bremsen Shimano XT
- Laufräder HollowGram 25 Carbon / HollowGram
- Reifen Schwalbe Racing Ray / Racing Ralph 2,25″
- Cockpit Cannondale 1 Flat Carbon (760 mm) / Cannondale 1 (80 mm)
- Sattelstütze Cannondale C1 Carbon
Ausstattungsvariante | Cannondale Scalpel HT Hi-Mod 1 | Cannondale Scalpel HT Carbon 2 | Cannondale Scalpel HT Carbon 3 | Cannondale Scalpel HT Carbon 4 |
---|---|---|---|---|
Rahmen-Material | Hi-Modulus Carbon | Carbon | Carbon | Carbon |
Federgabel | Lefty Ocho 120 Carbon, 110 mm Federweg, Remote Lockout, 50 mm Offset | Lefty Ocho, 100 mm Federweg, Remote Lockout, 55 mm Offset | RockShox SID SL Select+ RL, 100 mm, Remote Lockout, 44 mm Offset | RockShox SID SL, 100 mm, 44 mm Offset |
Kurbel | HollowGram, 34T | HollowGram, 34T | Cannondale 1, 34T | Shimano M5121, 30T |
Lenker | Cannondale 1 Flat Carbon, 760 mm | Cannondale 1 Flat Carbon, 760 mm | Cannondale 2 Flat, 760 mm | Cannondale 2 Flat, 760 mm |
Vorbau | Cannondale 1 | Cannondale 3 | Cannondale 2 | Cannondale 2 |
Schalthebel | Shimano XT | Shimano XT | Shimano SLX | Shimano Deore M6100 |
Bremsen | Shimano XT | Shimano XT | Shimano M6100 | Shimano MT501 |
Kassette | Shimano XT, 10-51T | Shimano XT, 10-51T | Shimano SLX, 10-51T | Shimano Deore M6100, 10-51T |
Schaltwerk | Shimano XTR | Shimano XT | Shimano XT | Shimano XT |
Laufradsatz | HollowGram 25 Carbon / Hollowgram | Stan's NoTubes Crest MK4, / Lefty 60 / Shimano 7110 | Stan's NoTubes Crest MK4 / Shimano MT410 / Shimano MT510 | WTB STX i23 / Shimano MT410 |
Reifen | Schwalbe Racing Ray EVO (29 x 2.25") / Schwalbe Racing Ralph EVO (29 x 2.25") | Schwalbe Racing Ray EVO (29 x 2.25") / Schwalbe Racing Ralph EVO (29 x 2.25") | Schwalbe Racing Ray EVO (29 x 2.25") / Schwalbe Racing Ralph EVO (29 x 2.25") | Schwalbe Racing Ray EVO (29 x 2.25") / Schwalbe Racing Ralph EVO (29 x 2.25") |
Sattelstütze | C1 Carbon | C1 Carbon | C2 Carbon | C3 Alloy |
Sattel | Prologo Dimension NDR | Prologo Dimension NDR | Fabric Scoop Shallow Elite | Fabric Scoop Shallow Sport |
Preis (UVP) | 6.999 € | 4.499 € | 3.299 € | 2.499 € |
Technische Daten
Alle technischen Daten, Details und Standards des Cannondale Scalpel HT findet ihr in der folgenden Tabelle zum Ausklappen:
Technische Daten | Bemerkungen | |
---|---|---|
Hinterbau Einbaumaß | 12 mm x 148 mm | |
Maximale Reifenfreiheit Hinterbau | 29" x 2,35" | |
Maximale Gabelfreigabe | 530 mm | |
Tretlager | PF30 83 mm | |
Kettenführungsaufnahme | Cannondale | |
Schaltauge | Sram UDH (UDH™ - SRAM - ac-drhg-mtb-a1 ) | |
Optimiert auf welches Kettenblatt | nicht für ein bestimmte Zahnanzahl optimiert | |
Bremsaufnahme | Post Mount 160 mm / 180 mm | |
Maximale Bremsscheibengröße | 180 mm | |
Sattelrohrdurchmesser | 27,2 mm | |
Sattelklemmendurchmesser | 30,9 mm | |
Maximale Stützen-Einstecktiefe | min. 100 mm, max. 5mm über Flaschenhaltergewindeeinsatz | |
Kompatibel mit Stealth-Variostützen? | Ja | |
Messung Sitzwinkel | gerades Sitzrohr, kein virtueller Sitzwinkel | |
Flaschenhalteraufnahme | 2 | |
Gewicht Rahmen | ca. 890 g | Herstellerangabe |
Gesamtgewicht Bike | 9,6 kg | nachgewogen, Rahmengröße L |
Garantie/Service | Lebenslange Garantie für Rahmen und Hollogram Kurbeln, für andere Komponenten 2 Jahre Garantie |
Auf dem Trail
Ungewohnt anders: Cannondale sorgt bereits seit Jahren mit den modernen Ansätzen und der Lefty-Federgabel nicht nur in der Rennszene für Aufsehen – so auch beim neuen Scalpel-Hardtail. Einmal mehr löst sich Cannondale von jeglichen Konventionen, was sich auf den Trails mit dem Scalpel durchgängig bemerkbar macht. Bereits die Sitzposition auf dem Rad hebt sich von anderen Race-Hardtails erheblich ab: Der kurze Reach, ein kurzer 80-Millimeter Vorbau und wenig Spacer unterhalb des Lenkers sorgen trotz des eher längeren Steuerrohrs für eine äußerst kompakte, aber zugleich sportlich-aggressive Haltung auf dem Rad. Die Lefty Ocho-Federgabel, die gerne schon bei geringen Unebenheiten tief im Federweg steht, verstärkt diesen Effekt.
Diese Sitzposition versetzt beim einen oder anderen die Muckis im Oberarm- und Schulterbereich auf Dauer in Rage, Rennfahrer*innen werden sie jedoch aufgrund der hohen Kontrolle durch die Kompaktheit und den hohen Druck auf dem Vorderrad lieben. Wer es weniger anstrengend mag und seine Kräfte im Oberkörper schonen möchte, kann dies leicht erreichen: Das längere Steuerrohr des Scalpel HT ermöglicht grundsätzlich eine sehr hohe Einstellung des Cockpits, die sogar weit über die Möglichkeiten anderer Race-Hardtails hinausgeht. Die Grenzen in Richtung Trail-Hardtail sind dabei fast fließend.
Trotz der eher längeren Kettenstreben und der grundlegenden langen und flachen Ausrichtung der Geometrie zeigt sich das Scalpel HT äußerst agil und spritzig am Berg. Etwaige Befürchtungen, dass das Scalpel HT in dieser Hinsicht im Vergleich zu traditionell ausgerichteten Hardtails zurückstecken muss, bestätigten sich im Testalltag nicht. Etwas Leichtigkeit verliert das Scalpel HT jedoch aufgrund seines soliden, aber nicht extrem geringen Gewichts von 9,6 Kilogramm. Gleichwohl lässt es sich mit dem Scalpel HT äußerst gut über längere Strecken pedalieren, egal ob bergauf, im Flachen oder bergab.
Bergab zeigt das Scalpel seine wahre Stärke und nähert sich in seiner Fahrperformance klassischen Trail-Hardtails an: Der Zugewinn an Laufruhe durch die lange Geometrie ist enorm, das Scalpel HT bringt so schnell nichts aus der Ruhe. Vor allem bei hohen Geschwindigkeiten macht sich dieser Effekt bemerkbar, die Lefty Ocho-Federgabel mit ihrer hohen Steifigkeit verstärkt diesen Effekt und trägt zudem zu einem spurtreuen Fahrverhalten bei.
Überraschen konnte uns indes die Wendigkeit des Scalpel HT in engen Passagen: Entgegen der Erwartung lässt sich das Rad gekonnt um Engstellen manövrieren und besitzt keinerlei Trägheit durch die lange und flache Geometrie. Hauptursächlich dafür dürfte die optimierte Positionierung auf dem Rad via dynamischer Anpassungen der Kettenstreben und insbesondere der verlängerte Gabel-Offset der Lefty Ocho-Gabel sein. Die Lefty-Gabeln waren in der Vergangenheit durchaus bekannt dafür, bei geringen Geschwindigkeiten zum schnellen Einklappen zu tendieren, was sich in Kombination mit der Geometrie des Scalpels HT geändert hat. Das Scalpel HT ermöglicht nun ein sehr kontrolliertes Lenkverhalten, das weder zu nervös noch zu schwerfällig auf Lenkmanöver der Pilotin oder des Piloten reagiert.
Ein weiteres Highlight des neuen Scalpel HT ist der Komfort des Rades, bei welchem die Entwickler*innen von Cannondale ganze Arbeit geleistet haben: Ob im Anstieg oder in der Abfahrt, das Scalpel HT generiert ein hohes Maß an Dämpfung und entspannt die Muskeln im Oberkörper der Pilotin oder des Piloten spürbar – die Bezeichnung Softtail wäre an dieser Stelle für das Scalpel HT beinahe angebracht. Die Pläne der Entwickler*innen aus dem Hause gehen also auf: Der optimierte Hinterbau des Scalpel HT saugt Unebenheiten bei geringen Geschwindigkeiten und kleineren Hindernissen wie beispielsweise Wurzeln regelrecht auf und mindert zudem die Vibrationen bei schnelleren Geschwindigkeiten.
Das ist uns aufgefallen
- UDH-Schaltauge Cannondale setzt beim Scalpel HT auf ein standardisiertes UDH-Schaltauge von SRAM. Die Anerkennung einheitlicher Standards in der Branche scheint also fortzuschreiten: Den Stresspegel bei der Suche nach Ersatz freut es auf alle Fälle!
- Lefty Ocho 120 Sie ist und bleibt ein Streitpunkt, welche die Rennszene in zwei Lager teilt – die Lefty-Federgabel! Auch in ihrer neuesten Auflage des Ocho 120-Modells behält sie ihren äußerst sensiblen Charakter bei und neigt dazu, frühzeitig tief im Federweg zu stehen. Anpassungen via Druckstufe schwächen diesen Effekt ab, können ihn aber nicht gänzlich ausräumen. Steigen die Geschwindigkeiten und die Anforderungen an Mensch und Material, hat die Lefty weniger Spielraum für weiteres Feedback übrig. Wer damit jedoch gut klarkommt, erfreut sich an einem enorm feinfühligen Fahrverhalten. Die Steifigkeit der Lefty Ocho 120 ist hingegen top, was sich in einer hohen Standfestigkeit auch bei höheren Geschwindigkeiten bemerkbar macht.
- Sattelstütze Vor Jahren noch verpönt, inzwischen aus dem Rennalltag nicht mehr wegzudenken: Absenkbare Sattelstützen haben den XC-Markt erobert und sind bei kaum einem Weltcupprofi nicht am Rad vorzufinden. Umso unglücklicher ist es, dass die Hersteller insbesondere bei Hardtails weiterhin auf klassische Sattelstützen setzen – meist mit dem Ziel, das Gewicht drücken zu können. Wir sind der Meinung, dass hier an der falschen Stelle gespart wird.
- Lenkeranschlagschutz Ein Carbon-Rad ohne speziellen Schutz vor Anschlägen des Lenkers sind unserer Meinung nach ein No-Go. Cannondale verzichtet, wie viele andere Hersteller auch, leider auf eine derartige Absicherung.
- Gewicht Mit 9,6 Kilogramm bricht das Scalpel HT in seiner Top-Austattung keine Rekorde hinsichtlich des Leichtbaus, insbesondere im Vergleich zu den Race-Hardtails vergleichbarer Konkurrenz hinkt das Scalpel HT etwas hinterher. Zum Vergleich: Specialized schafft es mit seinem Top-Modell der Epic-Serie auf knappe 8,0 Kilogramm, Canyons Exceed wiegt in der leichtesten Fassung 9,1 Kilogramm.
Fazit – Cannondale Scalpel HT
Wer nicht wagt, der nicht gewinnt: Cannondale präsentiert mit dem Scalpel HT ein Race-Hardtail, das in besonderer Form auf sich aufmerksam macht. Einziger ernsthafter Kritikpunkt ist das Gesamtgewicht von 9,6 Kilogramm, das erst mal nicht jedes Rennsportherz höherschlagen lässt – aber: Auf dem Trail merkt man davon wenig. So rollt das Scalpel HT mit enormer Leichtigkeit über Stock und Stein, Befürchtungen über Nachteile der Geometrie bestätigen sich nicht. Die Ansätze der Entwicklerinnen und Entwickler, mit dieser sehr progressiven Geometrie und einem starken Fokus auf Komfort eine ideale Mischung aus Bergab-Performance und Leichtigkeit zu finden, gehen vollkommen auf.
Pro / Contra
Pro
- tolle Bergab-Performance
- hoher Komfort
- stimmiges Gesamtkonzept
Contra
- etwas schwer
Testablauf
Das Cannondale Scalpel HT wurde von mehreren verschiedenen Testern unterschiedlicher Größen und Gewichtsklassen gefahren. Dabei war das Rad meistens in typischem Mittelgebirgsgelände im Einsatz und wurde sowohl auf anspruchsvollen Trails wie auch in einfacherem Gelände gefahren.
Hier haben wir das Cannondale Scalpel HT getestet
-
- Schwäbische Alb, Baden-Württemberg Kalksteinboden, der insbesondere bei nassen Bedingungen besondere Herausforderungen bietet. Die Trailbeschaffenheit wechselt von vielen wurzeligen und steinigen Passagen bis hin zu engen, aber meist flowig zu befahrenen Spitzkehrentrails
- Bad Kreuznach abwechslungsreiche und flowige Trails auf meist trockenem, teils steinigen Boden
- Fahrstil
- sauber, hohes Grundtempo
- Ich fahre hauptsächlich
- Enduro, Downhill
- Vorlieben beim Fahrwerk
- vorne straffer als hinten, schneller Rebound, nicht zu viel Dämpfung
- Vorlieben bei der Geometrie
- geräumiger Reach, keine zu kurzen Kettenstreben, flacher Lenkwinkel
- Fahrstil
- Hohes Tempo bergab, mit Blick auf die saubere Linie – bergauf spritzig und schnell
- Ich fahre hauptsächlich
- XC, vereinzelt Marathon- und Etappenrennen
- Vorlieben beim Fahrwerk
- Straff, für Reserven bei groben Absätzen und eine optimale Traktion in Anstiegen
- Vorlieben bei der Geometrie
- Sportlich; Tiefes Cockpit, nicht zu gestreckt
- Fahrstil
- Bergab zügig, aber saubere Linie; bergauf meist gleichmäßig
- Ich fahre hauptsächlich
- XC, vereinzelt Marathon- und Etappenrennen
- Vorlieben beim Fahrwerk
- Straff, für eine optimale Traktion – auch in Anstiegen
- Vorlieben bei der Geometrie
- Kompakte Sitzposition; kurzer Hinterbau für mehr Agilität; tiefe Front
54 Kommentare