Russischer Angriffskrieg "Das Ausmaß dieser Plage kann man kaum erfassen": Wie die Ukraine zum größten Minenfeld der Welt wurde

Ukrainischer Soldat auf der Suche nach Minen
Ein ukrainischer Soldat sucht auf einem Feld nach Minen. Fast ein Drittel des Landes soll vermint sein
© Bernat Armangue / AP / DPA
Minen sind ein tückisches Kampfmittel, aber aus militärischer Sicht genau deshalb nützlich. In der Ukraine werden sie massenhaft eingesetzt – auch wenn sie zum Teil geächtet oder sogar verboten sind.

Der Krieg gegen die Ukraine hat das Land in eines der größten Minenfelder der Welt verwandelt. 30 Prozent der Fläche sind inzwischen nach Angaben Kiews vermint – sowohl von der russischen als auch von der ukrainischen Armee. Beide Seiten verfügen über riesige Bestände an Sprengsätzen aus der Sowjetzeit.

"Das Ausmaß dieser Plage kann man kaum erfassen", sagt Baptiste Chapuis von der Organisation Handicap International, der vor Kurzem in der Ukraine war. Mitten im Krieg sei es unmöglich, genaue Zahlen zu ermitteln oder betroffene Gebiete zu kartografieren.

"Der Krieg in der Ukraine markiert aus militärischer Sicht die große Rückkehr des Einsatzes von Minen", sagt Stéphane Audrand, Experte für internationale Risiken. "Sie sind sehr nützlich, um die Bewegungsmöglichkeiten des Gegners einzuschränken", erklärt Audrand. Zudem lassen sie sich einfach und schnell verlegen. Die Sprengsätze würden massenhaft eingesetzt, überwiegend von den Russen.

Antifahrzeugminen gehören zur Kategorie der konventionellen Waffen. Antipersonenminen sind nach internationalem Recht verboten und durch das Ottawa-Übereinkommen von 1997 geächtet, das die Ukraine, nicht aber Russland, unterzeichnet hat.

"Minenfelder sind ein Element der russischen Verteidigung", heißt es in einem Bericht des britischen Forschungszentrums RUSI vom Mai. Moskau setze sie "extensiv ein, indem es Panzerabwehrminen und Antipersonenminen mit mehreren Auslösemechanismen kombiniert".

Ukraine setzt Antipersonenminen ein

Die Ukraine hatte gemäß dem Ottawa-Abkommen mit der Vernichtung seiner Minen-Bestände begonnen, stoppte diese aber mit Beginn des Krieges in der Ostukraine 2014. Im Januar rügte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch Kiew für den "offensichtlichen Einsatz" dieser verbotenen Waffen in der Region Isjum im Osten des Landes.

"Antipersonenminen werden von allen verwendet, aber nicht in vergleichbarem Ausmaß", sagt ein Vertreter einer Hilfsorganisation, der anonym bleiben möchte. Sie zielen darauf ab, zu töten oder zu verstümmeln. Einige sind so konzipiert, dass sie Gliedmaßen abtrennen, andere zerfetzen den Unterleib.

Vor allem aber "sind sie über Jahrzehnte eine tödliche Gefahr für die Zivilbevölkerung und gefährden auf sehr lange Sicht die Wiederaufnahme des wirtschaftlichen und sozialen Lebens", sagt Chapuis. Experten schätzen, dass es Jahrzehnte dauern wird, bis die Minen geräumt sein werden.

Ukraine und Russland setzen auf Sprengfallen und Seeminen

Neben Antiperson- und Panzerabwehrminen setzen die Kriegsparteien auch massiv Streumunition ein, die oft unentdeckt bleibt und deshalb auch eine langfristige Bedrohung darstellt. Streumunition ist durch das Osloer Übereinkommen von 2008 verboten, weder Moskau noch Kiew haben die Vereinbarung ratifiziert.

Hinzu kommen selbstgebaute Sprengfallen: "Die russischen Truppen sind bekanntlich kreativ, sie versehen Tiere und Leichen mit Sprengsätzen, stellen Doppel- und Dreifachfallen auf Straßen, Feldern und in Wäldern auf", heißt es in einem Bericht der Denkfabrik Globsec aus Bratislava.

Nicht nur das Land, auch das Meer wird vermint. "Zu Beginn des Konflikts haben die Ukrainer wahrscheinlich eine Landung der Russen an ihrer Küste durch die im Schwarzen Meer verlegten Minen verhindert", sagt Audrand. Seeminen seien im Krieg sehr effizient und billig, legten aber auch den Handelsverkehr lahm.

Mit der Zerstörung des Kachowka-Damms im Süden der Ukraine vergangene Woche ist die Minen-Gefahr weiter gestiegen. Die Flut habe die Kunststoff-Minen an den Ufern des Dnipro fortgespült, warnt das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK). "Früher wussten wir, wo es gefährlich war", sagt Erik Tollefsen vom IKRK. "Heute wissen wir es nicht mehr."

Cécile Feuillarte / cl

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