Kluge Boje

Australien bekämpft Haie jetzt per Gesichtserkennung

Von Paul Bartmuß
Veröffentlicht am 16.02.2016Lesedauer: 4 Minuten
Dieser Hai wird niemandem gefährlich: Er schwimmt im Aquarium von Eilat in Israel
Dieser Hai wird niemandem gefährlich: Er schwimmt im Aquarium von Eilat in IsraelQuelle: AFP

Bojen, die mit Schallwellen arbeiten, sollen künftig Rettungsschwimmer per App vor Haien warnen. Das System wurde in Australien entwickelt. Doch der Hai-Hotspot liegt ganz woanders.

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23 Australier kommen im Schnitt jährlich durch herabfallende Dachziegel ums Leben. 42 sterben, weil sie aus ihrem Bett stürzen. So das Australian Bureau of Statistics. Genau ein Australier hat sein Leben im vergangenen Jahr an einen Hai verloren. Trotzdem konzentriert man sich in Down Under darauf, letztere Zahl nochmals zu senken.

Denn die Zahl der registrierten Fälle von Haiattacken steigt konstant. 18 sogenannte unprovozierte Angriffe an Australiens Küsten verzeichneten die Behörden 2015, davon allein zwölf im Bundesstaat New South Wales. Das listet das International Shark Attack File (ISAF) der Universität Florida auf.

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So blitzschnell greift dieser Hai an

Wie aus dem Nichts taucht er plötzlich auf und beißt zu – in West-Australien hat ein Hai den Köder eines Filmteams angegriffen. Was der Fisch vorher wohl nicht geahnt hat: Der Lockkörper ist aus Metall.

Zur Warnung vor Haien haben Forscher in Perth (Bundesstaat Westaustralien) jetzt ein System namens „Clever Buoy“ (kluge Boje) entwickelt, ein Sonarsystem, das große, herannahende Meerestiere erkennen soll. Je nach Form und Bewegung des Tiers entscheidet das System, ob es sich um einen Hai handelt oder nicht. Wenn ja, schlägt die Boje Alarm – und informiert die Rettungsschwimmer per Handy-App.

Am Montag haben die Forscher von Shark Mitigation Systems (SMS) ihr Projekt in Sydney vorgestellt. SMS-Gründer Craig Anderson nannte seine Software eine Art „Gesichtserkennung“ für Meerestiere und versprach eine 90-prozentige Erfolgsquote.

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„Virtuelles Haifangnetz“

Wie funktioniert diese Gesichtserkennung genau? Die knallgelbe Boje scannt mittels elektroakustischen Schallwellen ihr Umfeld ab. In einer Reichweite von 250 bis 300 Metern erkennt sie Objekte von mehr als zwei Meter Länge und erstellt ein dreidimensionales Bild. Das wird dann in Computeralgorithmen umgewandelt, die anhand mehrerer Indikatoren wie Schwimmverhalten und Aussehen entscheiden, um welches Meereslebewesen es sich handelt.

Bisherige Systeme, die mit rein akustischen Signalen arbeiten, funktionieren nur bei Haien, die bereits mit einem Sender markiert wurden. Wenn sich ein „bekannter“ Hai einem Schwimmgebiet nähert, wird ein Alarmton ausgelöst. Andere Methoden setzen auf „Vorhänge“ aus Luftbläschen rund um die Strände, auf Blinkleuchten oder Fußbänder mit elektronischen Spannungsfeldern um die Badegäste. Langfristige Abschreckung haben sie alle nicht gebracht.

Der „Clever Buoy“ sei effektiver und komme auch mit fremden Haien bestens klar, sagt Anderson. „Er ist quasi ein virtuelles Haifangnetz.“ Seit zwei Jahren habe man ihn getestet, zunächst im Aquarium von Sydney, später auch in unkontrollierten, offenen Gewässern.

Westaustralien hat kein Interesse

Die Vorteile dieses Echolotsystems gegenüber Netzen und Fallen liegen erst einmal auf der Hand: Es schützt Haie und andere Meerestiere, die sich darin jährlich zu Tausenden verfangen. Und trotz immenser Forschungskosten soll es auch schonender für das Portemonnaie der Küstenwachen sein.

Hier frisst ein Hai einen anderen Hai

In einem Aquarium in Seoul in Südkorea hat ein über zwei Meter langer Sandtigerhai einen Hundshai gefressen. 21 Stunden dauerte es, bis nur noch die Schwanzspitze des kleineren Tiers zu sehen war.

Mehrere Millionen Dollar habe der Bundesstaat New South Wales jedoch bereits in die Tests investiert, berichtet das australische Nachrichtenportal abc.net. Mitte 2016, so hofft SMS, soll das System dann bereit sein für den weltweiten Verkauf. Für die jetzt gestartete Testphase sind erst einmal acht Bojen installiert worden. Falls sie erfolgreich verläuft, sollen zehn weitere dazukommen. Doch erst einmal heißt es abwarten.

Obwohl der „Clever Buoy“ in Perth im Bundesstaat Westaustralien entwickelt wurde, hat der dortige Premierminister Colin Barnett vorerst kein Interesse, ihn einzusetzen. „Wir stecken bereits viel Geld in Flugpatrouillen, die Haie aus der Luft ausmachen und die Schwimmer warnen“, sagte er.

Eher Surfer als Taucher attackiert

Weltweit hat das ISAF für 2015 98 unprovozierte Haiangriffe auf Menschen dokumentiert – ein neuer Höchstwert. Sechs davon endeten tödlich. Gefährlicher als im Ozean vor Australien war es nur an den Küsten der USA. 59 Attacken wurden dort registriert, allein 30 davon vor Florida.

Auffällig an den Statistiken: Eine unprovozierte Haiattacke auf einen Taucher wurde 2015 nicht gemeldet. Surfer und andere Brettsportler auf dem Wasser machten dagegen etwa die Hälfte aller Attackierten aus, Schwimmer rund 40 Prozent. Je horizontaler also Brett oder Mensch auf dem Wasser liegen, desto eher verwechseln Haie sie offenbar mit Beutetieren.

Als Ursache für das weltweite Rekordhoch machen die Forscher vom ISAF jedoch nicht die Haie selbst aus. Zum einen trieben die immer wärmer werdenden Ozeane die Tiere in neue Lebensräume. Zum anderen gebe es Jahr für Jahr einfach mehr Menschen auf der Erde, von denen wiederum mehr ihre Freizeit im Wasser verbrächten. Rechne man diese Faktoren heraus, sinke die Zahl der Haiattacken seit einigen Jahren sogar leicht.

Den Auswirkungen von herabfallenden Dachziegeln werden die Haie so oder so wohl nie die Stirn bieten können.


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