Donald Trumps Psyche

„Er könnte zum Ende der Zivilisation führen“

Von Clemens Wergin, Cleveland
Veröffentlicht am 22.07.2016Lesedauer: 7 Minuten

Drei Fragen an den britischen Rechtspopulisten Nigel Farage. Der ehemalige Brexit-Wortführer verrät hinter den Kulissen des Republikaner-Parteitages, wie Donald Trump gewinnen kann.

Keine Wärme, nur Selbstverliebtheit. Hang zur Lüge, ohne Reue. Freude am Risiko, ohne die Folgen zu bedenken. Ist das der Charakter des nächsten US-Präsidenten? Eine Analyse von Donald Trumps Psyche.

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Es war die große Woche des Donald J. Trump. Eigentlich. Die Woche, in der ihn seine Partei feierlich krönte. In der Trump in einen der exklusivsten Klubs der USA eintrat, den Klub der Nominierten der großen Parteien. Und was macht Trump? Er verzettelt sich in Scharmützeln. Am Montag etwa redet auf dem Parteitag die Mutter eines Sicherheitsbeamten, die ihren Sohn beim Terrorangriff auf das US-Konsulat in Bengasi verlor.

Es ist ein bewegender Moment. Aber Trump hat nichts Besseres zu tun, als beim TV-Sender Fox News anzurufen. Die unterbrechen dafür die Live-Berichterstattung. Was Trump wollte? Ach so, nur sich auslassen darüber, dass Ohios Gouverneur John Kasich nicht auf den Parteitag kommen will.

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Am selben Tag empört sich Trump auch auf Twitter über ein Expertenpanel auf CNN. Es ist sein großer Moment in Cleveland – doch der republikanische Kandidat für das mächtigste Amt der Welt bleibt kleingeistig und nachtragend.

Es ist viel geschrieben worden über Trumps Hardliner-Positionen. Viele seiner Fans sehen ihn dennoch als Pragmatiker, der in der Lage ist, Kompromisse zu schließen. Sie glauben, seine Positionen seien nur Maximalforderungen, die verhandelbar sind. Was aber nicht verhandelbar ist, sind seine Charakterzüge, seine Psyche. Und die ist auf eine geradezu atemberaubende Weise ungeeignet, das Amt des US-Präsidenten auszufüllen. Das hat sich auch in der Parteitagswoche gezeigt.

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Psychologen halten Trump für eine außergewöhnlich narzisstische Persönlichkeit. Das war schon immer so. Selbst bei der Beerdigung seines Vaters Fred im Jahr 1999 redete Trump fast nicht über den Toten, sondern vor allem über sich. „Wo andere über ihre Erinnerungen an Fred Trump sprachen, sprach er darüber, von Fred Trump auserwählt worden zu sein“, schreibt die Biografin Gwenda Blair in „The Trumps“. Der gleiche Mann konnte es Ende 2015 kaum verwinden, dass das „Time“-Magazin Angela Merkel und nicht ihn zur Person des Jahres gekürt hatte. Die Welt da draußen existiert für Trump nur als Funktion seines eigenen Egos, und das verlangt nun nach dem wichtigsten Amt, das diese Welt zu vergeben hat.

Der klinische Psychologe George Simon sagte der Zeitschrift „Atlantic“ über Trumps Selbstverliebtheit, dieser sei „so ein klassischer Fall, dass ich Videoclips von ihm archiviere, die ich in Workshops benutze, weil es kein besseres Beispiel dafür gibt.“ Der Psychologe Dan McAdams, der in einem Buch schon George W. Bush auf die Couch legte, versuchte in derselben Zeitschrift, die Persönlichkeitsmerkmale von Trump in das Schema der Big Five einzufügen, eine weitgehend akzeptierte Einteilung der menschlichen Psyche in die Felder Neurotizismus, Extraversion, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit und Offenheit. Die meisten Menschen liegen bei den fünf Eigenschaften irgendwo im Mittelfeld.

Nicht so Trump, wie McAdams bei der Analyse von Texten, Interviews und Auftritten Trumps aus mehreren Jahrzehnten herausfand: „Über sein ganzes Leben hinweg hat Trump Charaktereigenschaften aufgewiesen, die man nicht bei einem US-Präsidenten erwarten würde: himmelhohe Extrovertiertheit, kombiniert mit einer so niedrigen Verträglichkeit, dass sie die Maßstäbe sprengt.“

Verträglichkeit bezeichnet die Wärme gegenüber anderen, die eine Person ausstrahlt, Zugewandtheit, Altruismus, Einfühlungsvermögen und Bescheidenheit. Also all das, was uns im Umgang mit anderen sympathisch und verträglich macht und von dem Trump so gut wie nichts besitzt. Ein langjähriger „Freund“, den Trump einfach fallen ließ, als der schwer krank im Krankenhaus lag, sagte einmal: „Er pisst Eiswasser.“ Beziehungen sind für ihn Mittel zum Zweck.

Rechthaberisch und unendlich nachtragend

Seine Extrovertiertheit macht Trump zu einem guten Kommunikator, zu einem Menschenfänger, sein Leben lang getrieben vom Hunger nach Anerkennung. Zugleich geht er keine tiefere Beziehung zu Menschen ein, serviert sie ab, wenn sie ihm nicht mehr nützen. Er ist in der Lage, Leute, die ihn kritisiert haben oder die ihm nicht geben wollten, wonach er verlangte, jahrelang mit seinem Zorn zu verfolgen.

Es gibt Journalisten, die kritische Porträts über Trump als Unternehmer geschrieben haben, die noch nach Jahren rechthaberische oder beleidigende Post von ihm bekommen. Ähnlich läuft es nun mit seinen Konkurrenten. Trump akzeptiert nur die totale Niederlage seiner Gegner und die Unterwerfung. Das einer wie Kasich ihn weiter kritisiert, kann er nicht ertragen. Trump ist nicht einmal ein großzügiger Gewinner.

Das macht Donald Trump so authentisch

Jede Gefühlsregung spiegelt sich in seiner Mimik und Gestik. Zurückhaltung ist keine Eigenschaft von Donald Trump. Genau das macht den politischen Quereinsteiger aber so authentisch.

Man muss nur einen seiner Wahlkampfauftritte sehen, um zu begreifen, dass Trump ein Choleriker ist, der seine Wut kaum im Griff hat. Mehrfach in den vergangenen Wochen hat er es nicht geschafft, schlechte Nachrichten für Hillary Clinton auszunutzen. Stattdessen hat er sich regelmäßig auf Nebenschauplätzen verkämpft.

Dazu kommt Trumps Unfähigkeit, sich über längere Zeit auf Dinge zu konzentrieren. Davon weiß etwa Tony Schwartz zu erzählen, Trumps Ghostwriter und der eigentliche Autor des Bestsellers „The Art of the Deal“. Um das Buch zu schreiben, hatte Schwartz über mehrere Wochen versucht, Trump zu Interviews zu bewegen, um mehr über sein Leben zu erfahren. Doch die endeten schnell, weil Trump immer sofort gelangweilt war.

„Er hat keinerlei Aufmerksamkeitsspanne“, sagte Schwartz dem „New Yorker“. Trump wurde schnell unruhig und verärgert, „wie ein Kindergartenkind, das im Gruppenraum nicht stillsitzen kann“. Trump brach die Interviewsitzungen deshalb immer rasch ab. „Es ist unmöglich, dass er sich auf ein Thema mehr als einige wenige Minuten konzentriert, wenn es sich nicht um seine eigene Selbstüberhebung dreht, und sogar dann …“, meint Schwartz, der Trump zehn Monate lang aus nächster Nähe begleitete und ihn deshalb besser kennt als irgendjemand außerhalb der Trump-Familie.

Trump benutzt die Sprache eines Viertklässlers

Elisabeth Wehling untersucht die Sprache der Politik. Über Donald Trump fällt sie ein eindeutiges Urteil. Er spricht simpel wie ein Viertklässler - und das ist Teil seines Erfolgs. Heute feiert er seinen 70. Geburtstag.

Was Schwartz beschreibt, war am Samstag vor dem Parteitag sehr deutlich zu sehen, als Trump Mike Pence vorstellte, seinen Kandidaten für die Vizepräsidentschaft. Eigentlich sollte er über Pence reden, es gelang ihm aber nie länger als 30 Sekunden, bei Pence und seinen vorbereiteten Notizen zu bleiben. Stattdessen gab es wild ausgreifende improvisierte Diskurse über sich, Clinton, die Kampagne. Kurz kam er zu Pence zurück, um dann erneut in seine eigene Umlaufbahn abzuheben.

„Wenn er im Situation Room über eine Krise gebrieft werden würde, dann kann man sich unmöglich vorstellen, dass er über einen längeren Zeitraum aufmerksam wäre“, sagt Schwartz über einen möglichen Präsidenten Trump. Trumps Konzentrationsschwäche gilt als Grund dafür, dass er keine Bücher liest und oft nur sehr oberflächliches Wissen hat, vermittelt durch seine wichtigste Informationsquelle, das Fernsehen. Hinter vorgehaltener Hand zeigen sich führende republikanische Politiker denn auch fassungslos, dass Trump in den vergangenen Monaten wenig getan hat, um seine riesigen Wissenslücken zu füllen.

„Lügen ist seine zweite Natur“

Schwartz durfte monatelang Trumps Telefonate mit Geschäftspartnern anhören und hat dann viele Dinge nachrecherchiert, die Trump ihm sagte. Dabei hat er festgestellt, was viele Journalisten über Trump sagen: Er hat ein rein instrumentelles Verhältnis zur Wahrheit. „Lügen ist seine zweite Natur“, sagt Schwartz. „Mehr als irgendjemand, den ich je getroffen habe, hat Trump die Fähigkeit, sich selbst davon zu überzeugen, dass etwas, was er zu irgendeinem Moment sagt, wahr ist oder irgendwie wahr, oder dass es zumindest wahr sein sollte.“

Eine Einschätzung, die sowohl von Trumps Biografen als auch von Klatschkolumnisten der New Yorker Boulevardblätter geteilt wird, die über Trump in seinen wilden Jahren geschrieben haben. „Er hat strategisch gelogen. Und er hatte keinerlei Gewissensbisse dabei“, sagt Schwartz.

Überlebensgroß, so so sieht sich Donald Trump. Hier bei seiner Rede auf dem Nominierungsparteitag
Überlebensgroß, so so sieht sich Donald Trump. Hier bei seiner Rede auf dem NominierungsparteitagQuelle: picture alliance / Photoshot

Trump ist ein Krieger, dessen narzisstischer Hunger nach Anerkennung nach immer neuen Zielen verlangt, nach immer neuen Gegnern, die überwunden werden müssen. Viele Autoren, die in den vergangenen Jahrzehnten Porträts über Trump geschrieben haben, versuchten, hinter die Maske Trumps zu schauen. Am Ende mussten sie feststellen, dass er nicht mehr ist als der Mann auf der Bühne. „Er ist ein lebendes Schwarzes Loch“, sagte Schwartz zu seiner Frau, wenn er nach einem Tag mit Trump nach Hause kam.

„Es ist immer Donald Trump, der Donald Trump spielt, der kämpft, um zu gewinnen, aber niemals weiß, warum“, schreibt Psychologe McAdams. Er glaubt, dass Trumps Persönlichkeitsstruktur ihn dazu verleiten könnte, impulsive und riskante Entscheidungen als Präsident zu treffen. Auch Ghostwriter Schwartz hat große Angst vor Trump als Präsident. „Ich glaube wirklich, wenn Trump gewinnt und die Nuklearcodes bekommt, dass es dann eine exzellente Möglichkeit gibt, dass das zum Ende der Zivilisation führen wird.“


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