Museumsdirektor Max Hollein

„Wir stehen in Opposition zum Nationalismus“

Autorenprofilbild von Hannes Stein
Von Hannes SteinFreier Korrespondent
Stand: 19.12.2024Lesedauer: 5 Minuten
NEW YORK, NEW YORK - OCTOBER 09: Max Hollein attends the Costume Institute's Spring 2025 Exhibition press conference at Metropolitan Museum of Art on October 09, 2024 in New York City. (Photo by Jason Mendez/Getty Images) GettyImages-2177632726
Leitet das Metropolitan Museum in New York: Max HolleinQuelle: Jason Mendez/Getty Images

Das Metropolitan Museum of Art ist kein Ort für Isolationismus: Sein Direktor Max Hollein bekennt sich zur universalen Gründungsvision der Institution und zu einem New Yorker Mythos. Vergrößern wird er sein Haus auch. Die amerikanische Politik muss er nicht fürchten.

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Am Anfang war der Neid. Als vor 154 Jahren das Metropolitan Museum gegründet wurde, gab es keine ständige Kunstsammlung, die ein neues Heim brauchte, kein Haus, in dem das Museum untergebracht werden sollte, nicht einmal einen Namen. Es gab nur eine Gruppe von amerikanischen Kunstliebhabern, die nach einem Besuch im Pariser Louvre mit der festen Überzeugung nach Hause kamen: So etwas brauchen wir bei uns in New York auch. Schwer, sich angesichts des Kunstpalasts, der sich majestätisch direkt neben dem Central Park erhebt, an diese Ursprungsgeschichte zu erinnern: eine Gründung aus dem Nichts.

Und wie geht es dem Metropolitan Museum of Art heute? Glänzend, wenn man den Worten von Max Hollein glauben darf. Hollein, der aus Wien stammt und von 2001 bis 2016 in Frankfurt/Main Schirn und Städel leitete, ist seit sechs Jahren Museumsdirektor in New York. Und er hat Zahlen mitgebracht, die er einer Schar von Journalisten mit sichtbarem Vergnügen vorträgt.

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Voilà: Das Museum hat ein Betriebsbudget von 340 Millionen Dollar pro Jahr; nicht eingerechnet sind dabei der Einkauf von Kunstwerken und größere Bauprojekte. Es ist mit einem Stiftungsvermögen von viereinhalb Milliarden Dollar ausgestattet. Ein Viertel des Betriebsbudgets stammt aus der Stiftung, der Rest aus Spenden und Einnahmen, die Stadt New York spendiert noch einmal 20 Millionen dazu. Mit anderen Worten, das Metropolitan Museum ist vorwiegend privat finanziert und niemandem untertan – keine Regierung in Washington kann ihm sein Programm diktieren.

Das Met ist eine „universale Institution“

Fünfeinhalb Millionen Menschen haben das Museum im vergangenen fiskalischen Jahr besucht. Damit ist es, sagt Hollein, „das meistbesuchte Museum der Vereinigten Staaten“. Die Krise im Gefolge der Covid-Seuche, die New York monatelang in eine Geisterstadt verwandelte, ist überwunden. Zufrieden zeigt sich Hollein auch über die Zusammensetzung der Besucher: sehr jung und ethnisch sehr gemischt.

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Nur die Besucher aus dem Ausland sind bislang nicht in derselben Anzahl zurückgekehrt wie vor der Covid-Zeit. Vierzig Prozent der Besucher stammen aus New York und seinem Umland. Das Metropolitan Museum, sagt Max Hollein, sei „keine nationale, sondern eine universale Institution“, und es sei tief verbunden mit „New York als einem Schmelztiegel der Kulturen“.

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Viele Museen der Welt, auch das Metropolitan Museum, haben es mit Fragen der Restitution zu tun, also der Rückgabe von geraubten Kunstwerken. Das Metropolitan Museum hat mehr Mitarbeiter eingestellt, die sich mit Restitutionsfragen beschäftigen, sagt Hollein, und es warte nicht, bis es Forderungen gibt, sondern werde selbst aktiv, wenn sich herausstellt, dass ein Kunstwerk illegal aus seinem Ursprungsland verschleppt wurde.

In jüngster Zeit seien Kunstwerke nach Kambodscha und Thailand sowie in den Irak zurückgegeben worden. Es sei aber auch zum umgekehrten Fall gekommen: Der Jemen habe das Metropolitan Museum gebeten, auf Kunstwerke aus diesem Land aufzupassen, solange dort ein Bürgerkrieg wütet.

Aber Max Hollein ist nicht nur vor die Journalisten getreten, um sich mit vergangenen Ruhmestaten zu schmücken. Er stellt auch „capital projects“ vor: Projekte, die in Zukunft viel Geld verschlingen werden (zwei Milliarden Dollar) und von kapitalem Ehrgeiz zeugen. Das Metropolitan Museum wird also in den folgenden Jahren in großem Stil umgebaut. Ein ganzer Gebäudeteil – der südwestliche Flügel, in dem moderne Kunst gezeigt wird – soll planiert werden und in neuem Glanz mit viel mehr Platz neu erstehen.

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Dabei hat das Metropolitan Museum ein Problem: Es kann sich nicht weiter ausbreiten – nicht zur Straßenseite hin, aber auch nicht in den Central Park hinein. Die Umbaupläne machen aus dieser Not eine Tugend: Der neue Gebäudekomplex wird gegenüber dem Park offen sein, statt ihm wie bisher eine abweisende Wand aus Beton zu zeigen. Von den oberen Etagen wird man einen herrlichen Blick über das Grün haben. Baubeginn ist 2026, vier Jahre später soll der Neubau fürs Publikum geöffnet sein.

Im Grunde schon fertig ist der neue Michael-Rockefeller-Flügel, der für Kunstwerke der Inka und Maya, aber auch Werke aus Ozeanien und Afrika reserviert ist. In der neuen Gestaltung haben die Vitrinen, die Totempfähle und alten Steinmasken plötzlich ganz viel Luft um sich herum; das Publikum wird sich das vom Mai nächsten Jahres an anschauen können.

Außerdem bietet das Metropolitan Museum den Amerikanern im neuen Jahr Gelegenheit, die Bilder eines Malers zu begutachten, den sie bisher so gut wie gar nicht kennen: Caspar David Friedrich. Zurzeit lagern in den ganzen Vereinigten Staaten ganze fünf Gemälde von ihm, eines davon in New York. (Zum Vergleich: Das Metropolitan Museum hat allein vierzig Werke von van Gogh.)

Am Rande des Central Park: das Met in Manhattan
Am Rande des Central Park: das Met in ManhattanQuelle: Jimin Kim/SOPA Images via ZUMA Press Wire/picture alliance

Er habe Gebrauch von all den Caspar-David-Friedrich-Ausstellungen gemacht, die dieses Jahr in Deutschland stattfanden, erzählt Max Hollein, um viele der dort gezeigten Bilder zu leihen. Wer noch nicht genug von Caspar David Friedrich gesehen hat, muss sich also 2025 nur in den Flieger setzen und in den Palast am Central Park kommen.

Keinen Zweifel lässt der Direktor daran, dass das Metropolitan Museum unter seiner Leitung gar nicht daran denkt, sich unpolitisch aus dem Streit der Welt zu stehlen. „Wir stehen in Opposition zum Nationalismus“, sagt Hollein. „Wir feiern Kulturen, die zusammenkommen.“ Man kann seine Ankündigungen wie folgt zusammenfassen: Das Metropolitan Museum baut in großem Stil um, und es geht in den Widerstand.


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