Padel-Tennis ist kein Sport, sondern eine Lebensart
Von Messi bis Klopp: Alle wollen mit dem kleinen Padel-Schläger über den Platz bolzen. Auch Modemarken investieren in die Ausrüstung. Padel-Tennis, der kleine Bruder von Tennis, ist Trendsport Nummer Eins. Woher kommt die Faszination?
Vielleicht beschreibt diese Szene aus Miami am besten, was Lifestyle überhaupt meint: Ein paar junge Frauen kommen aus einem Yoga-Kurs in einem Fitnesstempel. Sie holen sich einen Matcha Latte bei Starbucks nebenan, um danach gemütlich auf den Padel-Platz zu schlendern. In der einen Hand halten sie nun den Cafe-to-Go-Becher, mit der anderen schlagen sie in der Mittagssonne etwas halbherzig Bälle über das Netz. Padel-Tennis ist kein Sport, Padel-Tennis ist eine Art, zu leben. Große Modeunternehmen haben das Lifestyle-Kapital von Padel-Tennis natürlich längst begriffen. Prada verkauft schwarze Padel-Schläger, Valentino hat einen Padel-Club in Dubai.
Denise Hoefer kennt diese Entwicklung. Die Sportmanagerin war beruflich länger in Miami. Padel-Tennis hat auch Hoefers Blick auf Sport verändert. Früher war die 43-jährige in der Tennisbundesliga, reiste von Wettkampf zu Wettkampf. Sie war es gewohnt, den eigenen Körper ans Maximum zu bringen, um in der Rangliste zu klettern. Deshalb war Hoefer auch skeptisch, als sie vor Jahren zum Padelspielen von Freunden nach Nizza eingeladen wurde: „Ich habe sie gefragt: Können wir nicht lieber Tennis spielen? Padel ist mir zu wenig Bewegung.“ Schließlich ist der Padel-Platz wesentlich kleiner als beim Tennis – zudem spielt man immer im Doppel. Von einer Glaswand prallen die Bälle immer wieder zurück ins Feld. Der Zweifel von Hoefer war dann schnell verflogen. „Ich bin das ganze Wochenende nicht mehr runter vom Platz. Ich war sofort süchtig.“
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Wirft man nur einen Blick ins Internet, ist eine Erkenntnis unausweichlich: Denise Hoefer ist mit ihrer „Sucht“ nicht allein. Lionel Messi spielt, David Beckham spielt, Hugh Grant auch, der Kronprinz von Dubai ebenso. Erst Ende Mai nahm Fußballtrainer Jürgen Klopp ein Video von sich auf, wie er motiviert in der Mallorca-Sonne zum Padel-Platz marschiert: „Ich folge meiner großen Leidenschaft und arbeite an meinem Spiel.“ Wem das noch eine Nummer zu klein ist, muss sich eingestehen, dass sogar Papst Franziskus schon mal einen Padel-Schläger in der Hand hatte. Diese Sportart dürfte nun von ganz oben gesegnet sein.
Der Siegeszug von Padel kommt nicht völlig zufällig. Er stößt in eine lebensweltliche Lücke, die Tennis nie schließen konnte, weil diese Sportart sich eigentlich nach Exklusivität und Schönheit sehnt. Ein Einzelsport, der das Ich formt und ihm alles abverlangt, um es nach oben zu peitschen. Die nur mühsam zu erlernende Technik unterstreicht das nur: „Tennis hat den Hang zum Elitären“, sagt Hoefer, die Jahrzehnte in Tennisvereinen verbracht hat, die in Deutschland eher vom Bildungsbürgertum getragen werden.
Heute zählt Hoefer zu den besten deutschen Padel-Spielerinnen, weiß aber auch, dass es in diesem Sport um etwas anderes geht. „Sobald du auf den Padelplatz gehst, ist jeder gleich. Viele Menschen suchen nach Corona wieder mehr Freundschaft und Kontakte, Padel ist für dieses soziale Miteinander perfekt geeignet.“ Nach dem Spiel sitzen die vier Spieler noch bei einem Bier zusammen und werfen sich Neckereien zu oder reden über Job und Familie.
Weil sich beim Padel-Tennis auch Geschäftsbeziehungen stärken lassen, kann Padel-Tennis in manchen Ländern bereits Golf Konkurrenz machen. Gaston Streiger, auf Gran Canaria geboren, spielte jahrelang mit deutschen BMW-Kunden in Spanien Padel-Tennis. „Die technische Hürde beim Padel-Tennis ist unter anderem wegen des kürzeren Schlägers nicht so hoch“, betont er: „Für Ballwechsel im Tennis muss man erst einige Einzelstunden genommen haben.“ Sein Heimatland Spanien ist das Wunschland von Padel-Spielern. Nirgendwo in Europa findet sich eine solch hohe Dichte an Padel-Plätzen, sogar Anhänger der spanischen Mittelklasse haben einen eigenen Court am Haus, erzählt Streiger.
Schätzungsweise spielen fünf Millionen Spanier gelegentlich Padel. Es ist eine Entwicklung, die sich Streiger auch für Deutschland wünscht – deshalb investiert er seit einigen Jahren in deutsche Padel-Infrastruktur. Mit seinem Unternehmen „Padel4you“ verkauft Streiger Ausrüstung wie Schläger und Schuhe, berät auch Investoren, die Padelplätze in Deutschland bauen wollen: „Deutschland ist sehr sportaffin. Damit mehr Menschen Padel spielen können, brauchen wir mehr Anlagen.“
Dieses Ziel verfolgt auch Unternehmer Jonathan Sierck. Zusammen mit dem ehemaligen Bundestrainer Hansi Flick hat er „PadelCity“ gegründet und lässt seit zwei Jahren Padel-Plätze in Deutschland bauen. Als Flick noch Trainer der deutschen Nationalmannschaft war, bestand er sogar darauf, dass das EM-Quartier im Weimarer Land einen Padel-Tennis-Platz hat. Die Hotel-Geschäftsführung erfüllte ihm diesen Wunsch, weshalb die deutschen Spieler nun zwischen den Trainingseinheiten mit Padel abschalten können: „Sportler sind Spielkinder. Die lieben die schnelle Entwicklungskurve in diesem Sport“, sagt Sierck, der momentan laut eigenen Angaben nicht viel Zeit hat, um selbst zu spielen.
Zu sehr steckt er in den Bemühungen, Padel zum Fliegen zu bringen. Sein Ziel: knapp 8000 Plätze in Deutschland, derzeit sind es nicht mal 500. „Wir wollen Padel in Deutschland groß machen“, sagt er kämpferisch, „Padel wird in Deutschland wohl nicht Tennis, Basketball und Handball überholen, aber eine Million Spieler wären toll.“ Nicht auszuschließen, dass das mit Klopp und Messi im Rücken gelingt.