Alzheimer

Warum Licht auf Demenzkranke beruhigend wirken kann

Von Veronika Szentpétery-Kessler
Veröffentlicht am 19.12.2023Lesedauer: 3 Minuten
Woman in living room
Lichttherapie kann bei Demenzerkrankungen helfenQuelle: Getty Images/Image Source

Innere Unruhe und Schlaflosigkeit gehören zu den ganz frühen Symptomen einer Alzheimer-Erkrankung. Das nimmt nicht nur die Patienten, sondern oft auch ihre Betreuer mit. In einer neuen Studie zeigen Experten: Eine sehr einfache Maßnahme kann helfen.

Anzeige

Die Alzheimer-Krankheit nimmt Betroffenen nicht nur ihre Erinnerungen, sie raubt ihnen auch den Schlaf. Die einen finden abends nicht zur Ruhe. Andere irren nachts umher. Schon in der Frühphase der Erkrankung klagen 70 Prozent der Patienten über Schlafprobleme.

Bei der Demenz sterben im Gehirn Nervenzellen und ihre Verbindungen ab, auch das Schlafzentrum ist davon betroffen. Schreitet die Alzheimersche Krankheit fort, verschwimmt der Unterschied zwischen Tag und Nacht immer weiter, die Kranken schrecken aus dem Schlaf immer öfter hoch, nicken immer häufiger mitten am Tag ein.

Anzeige

Einer neuen Übersichtsarbeit im Fachmagazin Plos One zufolge, könnte die Lösung ganz einfach sein: eine helle Lampe im Zimmer.

Lesen Sie exklusiv

Lesen Sie auch

Das Schlafzentrum stellt normalerweise die innere Uhr auf einen 24-Stunden-Rhythmus ein, steuert mithilfe des Tageslichts die Schlafzeiten und Wachphasen. Ältere Menschen sind ohnehin anfällig für Schlafrhythmusstörungen.

Anzeige

Oft ist ihre Beweglichkeit eingeschränkt, sie sehen nicht mehr gut und haben immer weniger soziale Kontakte, also gehen sie nicht mehr so oft vor die Tür und bekommen nicht genug vom Taktgeber Tageslicht ab.

Die Schäden, die die Demenz im Gehirn setzt, verstärken diese Probleme. Die Forscher der Weifang Medical University in der chinesischen Provinz Shandong sahen sich nun 15 Studien an, in denen insgesamt fast 600 Patienten immer wieder in eine taghelle Umgebung gebracht wurden, durch den Einsatz spezieller Lampen.

Offenbar hat der Kontakt mit ihrem sonnengleichen Licht gleich mehrere messbare Effekte: Die Behandelten schliefen tagsüber seltener ein und wachten nachts seltener auf, und sie konnten erholsamer schlafen. Vor allem aber fanden sie in ihrem angestammten Rhythmus zurück, wurden nach einer Weile jeden Tag zu ähnlicher Zeit müde, wachten wieder zur selben Zeit auf.

Die Alzheimer-Krankheit zieht ihre Spur der Zerstörung über charakteristische Pfade im Gehirn. Es beginnt damit, dass sich Gerüche verändern, weil die Nervenzellen im Riechzentrum des Gehirns zuerst absterben. Dann greift der Prozess auf den sogenannten Hippocampus über, dem Verwalter von Erinnerungen und Gelerntem.

Durch Schäden im Scheitellappen, der Gehirnbereich am oberen Bereich des Kopfes, kommt es zu ersten Orientierungsstörungen. Nachfolgend wird das Schlafzentrum im zentral gelagerten Hypothalamus abgekoppelt. Später, mit der weiteren Ausbreitung des Verfalls Richtung Hinterkopf, können Gesichter nicht mehr erkannt werden.

Lichttherapien stimulieren offenbar die angegriffenen Nervenzellverbindungen und regenerieren sie dabei vielleicht auch in gewissem Rahmen. Und das nicht nur im Schlafzentrum.

Laut Analyse stellten sich bei manchen Patienten auch kognitive Verbesserungen ein. Bei einigen ließen die für Demenzen charakteristischen Verstimmungen nach; die Aggressivität oder Antriebslosigkeit. Beides linderte die Lichttherapie.

Wie genau mit Licht behandelt werden müsste, ist allerdings nicht klar: Mal verwendeten die Therapeuten in den vorliegenden Studien Leuchtmittel mit einem starken Blauanteil, wie er typisch für den Vormittag ist und was besonders wach macht; mal setzten sie einfach irgendeine Art von strahlend hellem Licht ein.

Früherkennung

Auch wie lange der Sonnenersatz eingeschaltet wurde, war von Studie zu Studie sehr unterschiedlich. Die Wirkung wurde mit unterschiedlichen Kontrollgruppen verglichen, die mal normalem Tageslicht, mal schwacher Lichttherapie oder anderen Lichtkomponenten ausgesetzt waren.

Bis darauf, dass zu helles Licht manche Patienten erschreckte, wurden keine Nebenwirkungen gefunden. Also zogen die chinesischen Forscher aus ihrer Analyse diesen Schluss: Lichttherapien hätten „das Potenzial für eine vielversprechende Therapieoption“. So sprechen Forscher, wenn sie meinen: Es ist auf jeden Fall einen Versuch wert.


Mehr aus dem Web

Neues aus der Redaktion

Auch interessant

Mehr zum Thema