Hitler konnte fliehen – sollen FBI-Akten beweisen
Ein 2014 publiziertes Konvolut enthält die Ergebnisse der Fahndung, die das FBI nach 1945 Hitler widmete. Danach soll dem Diktator die Flucht gelungen sein, behauptete eine US-Dokumentation.
Gerüchte lassen sich nicht widerlegen – das macht ihren Reiz aus. Seit 70 Jahren schon kursiert die Meinung, Adolf Hitler habe sich gar nicht am 30. April 1945 im Berliner Führerbunker zusammen mit Eva Braun das Leben genommen. Vielmehr habe er überlebt und sei aus Deutschland geflüchtet.
Zeugenaussagen von etwa zwei Dutzend Mitgliedern der Entourage des „Führers“, von Sekretärinnen, Adjutanten, Fahrer und Wachpersonal, die alle Hitlers Ende beschrieben haben, konnten nichts daran ändern: Verschwörungstheoretiker glauben an ein Überleben Hitlers oder seiner engsten Mitarbeiter. Das hat wiederholt seinen Niederschlag in popkulturellen Gedankenspielen gefunden. 1959 behauptete ein gewisser Johannes von Müllern-Schönhausen, Hitler sei 1945 mit einer V2 aus Berlin geflohen.
Das hat der im Grunde als seriös geltende Pay-TV-Kanal History aus den USA in einer Dokumentation 2015 aufgegriffen. Treibende Kraft war der langjährige CIA-Agent Robert Baer, der seit seinem Ausscheiden aus dem amerikanischen Geheimdienst 1997 sich auf das Schreiben von Büchern verlegt hat. Senderangaben zufolge waren Baer und sein Team in mehreren Ländern Spuren Hitlers nachgegangen – angeblich mit ausgefeilter Technik.
Das wichtigste „Beweisstück“ von Baer ist allerdings ein Konvolut von FBI-Papieren, das den Angaben zufolge erst 2014 freigegeben wurde. Tatsächlich gibt es eine Akte von 203 Blatt, die seit 2014 entsprechend dem US-Informationsfreiheitsgesetz in umfangreich geschwärzter Form der Öffentlichkeit zugänglich ist.
Darin ist tatsächlich die Rede von „Hinweisen“, dass Hitler mit einem U-Boot in Buenos Aires gelandet sein solle. Auch ein Aufenthalt in Brasilien wird vermutet.
Ein „Freund“ des damaligen FBI-Direktors J. Edgar Hoover, dessen Name geschwärzt ist, wusste in einem auf November 1945 datierten Brief zu berichten: „Hitler ist in Argentinien. Er lebt in einer großen unterirdischen Anlage unter einer Hazienda, 675 Meilen westlich von Florianopolis, 410 Meilen nordwestlich von Buenos Aires.“ Mit Hitler hielten sich zwei „Doubles“ in der Bunker-Anlage auf.
Hoover antwortete, er habe „sorgfältig Notiz von dem Brief genommen“. Falls weitere Informationen vorlägen, sollten sie am besten dem örtlichen FBI-Büro übergeben werden. Ähnliche Mutmaßungen finden sich in der FBI-Akte mehrfach. Dem einen oder anderen Hinweis ließ Hoover auch nachgehen. Der durchsetzungsstarke Direktor, ein Organisationstalent, hatte durchaus eine Neigung zu Verschwörungstheorien.
Aber natürlich sickerten diese Gerüchte auch schon seinerzeit durch. Hitlers mögliches Weiterleben faszinierte in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg mindestens so sehr wie heute. Davon zeugen nicht nur Zeitungs- und Magazin-Ausschnitte in der FBI-Akte, sondern auch eine Durchsicht beispielsweise der digital recherchierbaren Zeitungen „Los Angeles Times“ und „Washington Post“. Immer wieder druckten beide Blätter Notizen, laut denen der nationalsozialistische Führer „in Wirklichkeit“ überlebt habe.
Doch niemals gab es mehr als reine Mutmaßungen; irgendein Indiz fanden weder die Informanten noch Hoovers Ermittler und auch sonst kein Interessierter. Das ist auch nicht weiter erstaunlich, denn es kann keine Beweise für etwas geben, was frei erfunden ist.
Übrigens sind manche Teile der FBI-Akte schon vor Jahrzehnten von anderen Anhängern der These, Hitler habe überlebt, veröffentlicht worden. Es ist zwar richtig, dass diese Papiere erst 2014 offiziell freigegeben wurden; der größere Teil ihres Inhalts ist aber schon seit Jahrzehnten bekannt.
Schon 1946 nervten derartige Spekulationen den US-Juristen Michael A. Musmanno, der seinerzeit in Deutschland stationiert war. Während des Krieges formal im Range eines Konteradmirals, war er Richter bei den Nürnberger Nachfolgeprozessen. Privat machte er sich auf die Suche nach Indizien über Hitlers Ende.
Die Vorstellung, dass der Hauptverantwortliche für den Zweiten Weltkrieg und den millionenfachen Massenmord überlebt haben könnte, ließ ihn nicht los. Musmanno recherchierte, sichtete Tausende Dokumente, trieb fast hundert Augenzeugen auf, die Hitler in den letzten Tagen im Führerbunker gesehen hatten oder sogar bei seiner Verbrennung dabei waren.
Rund 20 Zeugen wiederholten ihre Aussagen 1948 vor der Kamera; diese Bilder sind erst 2013 in einer lobenswerten Reportage von Michael Kloft der Öffentlichkeit zugänglich geworden. Seine Erkenntnisse fasste Musmanno in Berichten zusammen, aber auch in einem romanhaften Buch.
Doch so gut er als Ermittler war, so schlecht war er als Schriftsteller: „Selbst Goebbels, der großsprecherisch proklamiert hatte, er werde nach Hitlers Hinscheiden den nächsten Blitzzug in die Ewigkeit benutzen, zögerte, als es an ihn kam, die Fahrkarte zu lösen“, lautete ein typischer Satz.
Hitler war am Ende nur noch ein Wrack
Natürlich lassen sich Verschwörungstheoretiker wie Robert Baer von solchen Fakten nicht abhalten. Kein Indiz wird ihnen genügen, sie von ihrer vorgefassten Meinung abzubringen. Dabei war Hitler 1945 körperlich ein totales Wrack. Spätestens ab dem 22. April hatte er aufgegeben, war zum Selbstmord entschlossen – über den er bereits 1923 nach dem gescheiterten Putsch und Ende 1932 angesichts der drohenden Spaltung der NSDAP ernsthaft nachgedacht hatte.
Für Spekulationen, Hitler könnte überlebt haben, lassen die Fakten schlicht keinen Raum. Trotzdem, um sich nicht den Vorwurf einzuhandeln, nicht gehandelt zu haben, ließ das FBI mit Fotos nach ihm fahnden. Gefunden wurde nie etwas.
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