Laufen, klettern, inspizieren, notieren, reparieren: Das ist der klassische Ablauf bei der Instandhaltung von Stromleitungen. Weil diese Arbeit zum großen Teil manuell und verbunden mit großem Aufwand durchgeführt wird, liegt es nah zu schauen, ob sie durch den Einsatz von digitalen Helfern effizienter und sicherer gestaltet werden können. Um Risiken auf ein Minimum zu senken und gleichzeitig seiner Verantwortung, Haushalte in Deutschland mit Strom zu versorgen, nachzukommen, schickt E.ON Drohnen in die Luft, um Fotos von Strommasten und -leitungen zu machen. Die Fotos werden in die Microsoft Azure Cloud geladen und in Grid Vision®, einem Inspektionstool der Firma eSmart Systems, unterstützt mit künstlicher Intelligenz, übertragen, virtuell inspiziert und ausgewertet. Das macht den Instandhaltungsprozess perspektivisch effizienter und sicherer.
Die Herausforderung: 700.000 km Freileitungen so effizient wie möglich inspizieren
„Wir sorgen dafür, dass Menschen Licht haben.“ Sam Julian, Head of Data Engineering & AI Solutions bei E.ON, beschreibt stark vereinfacht die Verantwortung, die sein Unternehmen als Deutschlands größter Energieversorger hat. Denn Elektrizität ist für das Funktionieren unserer Gesellschaft unerlässlich: Allein im Jahr 2021 lag der Stromverbrauch in Deutschland bei 508 Terawattstunden (TWh) – damit lassen sich mehr als 5 Milliarden Kühlschränke betreiben. Dieser Strom kommt in vielen Regionen von E.ON: Über ein 700.000 km langes Stromnetz wird ganz Deutschland beliefert. Die Verteilnetzbetreiber E.DIS, MITNETZ STROM und Westnetz betreiben und verwalten drei der insgesamt neun E.ON Verteilnetze in Deutschland und damit die Leitungen, die den Strom zu den Menschen befördern.
„Verantwortung ist für uns die zentrale Devise – fallen Leitungen aus, sitzen Menschen im Dunkeln“, erklärt Jens Hache, Projektleiter Drone@E.ON von der Mitteldeutsche Netzgesellschaft Strom mbH, kurz: MITNETZ STROM. Sie versorgt für E.ON als größter, regionaler Verteilnetzbetreiber Ostdeutschlands über Hoch-, Mittel- und Niederspannungsnetze Kunden in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Teilen Brandenburgs mit Strom. „Der Instandhaltungsprozess hat für uns eine enorme Bedeutung“, so Jens Hache weiter. Bisher erfolgen Inspektionen periodisch alle fünf Jahre. Die Techniker*innen laufen dann Leitungen ab und suchen nach Fehlern oder Anzeichen von Verschleiß. Dafür inspizieren sie die Leitungen selbst und klettern, wenn notwendig, die hohen Masten empor, um zu prüfen, ob alle Teile ordnungsgemäß funktionieren. Auch Helikopter kommen jährlich zum Einsatz, um sich ein besseres Bild von größeren Netzabschnitten zu machen. „Das ist eine sehr manuelle Arbeit, bei der Fehler mit dem bloßen Auge gesucht, subjektiv beurteilt, notiert und dann in unser System übertragen werden. So wird am Ende entschieden, ob eine Reparatur notwendig ist“, erklärt Hache. „Fehlermuster an den Leitungen so zu erkennen, dass fundierte Prognosen getroffen werden können, ist schwierig.“ Die drei E.ON-Netzbetreiber wollen noch besser werden. Ihr Ansatz: Aufnahmen von Drohnen aus der Luft und virtuelle Bildauswertung mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) auf Basis von Microsoft Azure.
Die Lösung: Virtuelle Inspektion mit Drohnenbildern und künstlicher Intelligenz
E.ON bewegte sich zu diesem Zeitpunkt bereits seit Längerem in der Microsoft Cloud-Welt – genauso wie der Partner eSmart Systems. Für Sam Julian lag darin ein entscheidender Vorteil: „So konnten wir, zusammen mit den drei Verteilnetzbetreibern, sehr schnell beginnen, unsere virtuelle Inspektion zu entwickeln.“ Dabei spielen zwei Komponenten zusammen: Drohnen machen Aufnahmen, eine künstliche Intelligenz analysiert die Bilder, sortiert sie und wertet sie aus. Techniker*innen fliegen nach einem festgelegten Muster die Stromleitungen mit einer Drohne ab und machen Bilder an wichtigen Punkten. „Unsere Teams können sich auf diese Weise anstrengende Kletter-Passagen bei der rein visuellen Inspektion von Masten ersparen“, so Jens Hache.
Im Büro werden die Bilder der Drohne in SharePoint geladen. Von dort landen sie in einem Azure Data Lake Gen 2. Azure Logic Apps orchestriert dabei den Input unterschiedlicher Verteilnetzbetreiber, um die Dateien auseinanderzuhalten und ordnet sie den richtigen Stromleitungen zu. Anschließend werden die Bilder mithilfe von Azure Functions bereinigt und via Azure Event Hubs als Instanz über eine Schnittstelle nach Grid Vision® importiert. Hier kommen unterschiedlichste Azure Services zum Einsatz – Azure Kubernetes Service, Azure Database für PostgreSQL und Cosmos DB spielen eine Schlüsselrolle. „Grid Vision® ist unsere cloudbasierte Software as a Service Lösung, entwickelt in Microsoft Azure, für die Inspektion von Übertragungs- und Verteilnetzen“, erklärt Erik Åsberg, CTO des Partners eSmart Systems. „Eine KI stellt fest, ob auf den Bildern der Verteilnetzbetreiber, die E.ON uns schickt, beispielsweise Verschleißerscheinungen an einzelnen Bauteilen oder größere Schäden an den Masten erkennbar sind. Expert*innen verifizieren die KI-Vorschläge, bevor der Output der Lösung dann wieder in die E.ON Cloud exportiert und dort in eine Checkliste überführt wird.“
Die gesammelten Daten können zukünftig die Inspektionsqualität der Verteilnetzbetreiber verbessern: „Neben dem aktuellen Status einer Leitung und einem möglichen Instandsetzungsbedarf können wir über die Checklisten auch Defekt-Muster erkennen, mit denen wir Vorhersagen treffen können“, erklärt Jens Hache. „Das ermöglicht uns, von der periodischen Instandhaltung zu einer präziseren, vorausschauenden Instandhaltung zu kommen.“ Und diese Vorhersagen werden mit jedem Bild, das analysiert wird, immer besser. „Die KI in Grid Vision® steht noch am Anfang einer langen Lernkurve“, erklärt Erik Åsberg. „Und sie lernt von denen, die sich am besten auskennen: den Techniker*innen, die selbst Input in Grid Vision® geben können, den Prozess begleiten und die KI so mit neuem Wissen füttern. Das nennen wir Collaborative AI.“
E.DIS, MITNETZ und Westnetz wollen die Inspektion der Freileitungen mit Automatisierung künftig noch effizienter gestalten: „Momentan testen wir im Rahmen von Pilotprojekten Beyond Visual Line of Sight (BVLOS) Flüge – also Flüge, bei denen die Drohnen selbstständig weite Strecken der Stromleitung abfliegen, ohne dass sie in Sichtweite der Pilot*innen sind. Schon bald könnten solche Flüge im Regelbetrieb die Autofahrten von Streckenabschnitt zu Streckenabschnitt überflüssig machen. Die Technologie gibt dies bereits her, die notwendigen Genehmigungen sind aber nach wie vor aufwändig und langwierig.“
Mit der virtuellen Inspektion wird E.ON zukünftig seinen Instandhaltungsprozess auf ein neues Level heben. „Je mehr Bilder wir machen und je mehr die KI lernt, desto besser kann unsere Inspektionsqualität zukünftig werden“, resümiert Sam Julian. So leuchten die Lampen in Deutschland weiter so zuverlässig wie heute – und niemand sitzt im Dunkeln.
“Wir sind dafür verantwortlich, dass in deutschen Haushalten das Licht angeht. Dieser Verantwortung nachzukommen und unsere Versorgungsqualität zu maximieren, hat für uns oberste Priorität. Deshalb setzen wir bei der Wartung der Stromnetze auf Drohnen sowie moderne Cloud-Technologie auf Basis von Azure.”
Sam Julian, Head of Data Engineering & AI Solutions, E.ON
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