Thymin

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von 5-Methyluracil)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Strukturformel
Strukturformel von Thymin
Allgemeines
Name Thymin
Andere Namen
  • 5-Methyluracil
  • 2,4-Dioxo-5-methylpyrimidin (IUPAC)
  • 5-Methyl-2,4(1H,3H)-pyrimidindion
  • THYMINE (INCI)[1]
Summenformel C5H6N2O2
Kurzbeschreibung

weißer, kristalliner Feststoff[2]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 65-71-4
EG-Nummer 200-616-1
ECHA-InfoCard 100.000.560
PubChem 1135
ChemSpider 1103
DrugBank DB03462
Wikidata Q171973
Eigenschaften
Molare Masse 126,04 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Dichte

1,46 g·cm−3[3]

Schmelzpunkt

316–317 °C[2]

Löslichkeit

schwer löslich in kaltem Wasser, löslich in heißem Wasser und verdünnten Alkalihydroxid-Lösungen[4]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[2]
keine GHS-Piktogramme

H- und P-Sätze H: keine H-Sätze
P: keine P-Sätze[2]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Thymin (T, Thy, 5-Methyluracil) ist eine der vier Nukleinbasen in der DNA, zusammen mit Adenin, Cytosin und Guanin. In der RNA steht an seiner Stelle Uracil, das keine Methylgruppe aufweist. Es ist eine heterocyclische organische Verbindung mit einem Pyrimidingrundgerüst und drei Substituenten (Sauerstoffatome an den Positionen 2 und 4, Methylgruppe an Position 5). Die Nukleoside von Thymin sind das Desoxythymidin in der DNA und das seltene Ribothymidin in der RNA (z. B. in der tRNA). In der Watson-Crick-Basenpaarung bildet es zwei Wasserstoffbrücken mit Adenin.

Darstellung und Gewinnung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Isolierung kann aus Rinderhirnen oder Kabeljau-Rogen erfolgen.[5][6]

Eine synthetische Darstellung gelingt durch Cyclisierung von N-Ethoxycarbonyl-3-methoxy-2-methylacrylamid in wässriger Ammoniaklösung.[7]

Thyminsynthese

Eine weitere Synthese geht von 3-Methyläpfelsäure aus, welche in rauchender Schwefelsäure decarboxyliert und mit Harnstoff kondensiert wird.[8]

Thyminsynthese aus 3-Methyläpfelsäure und Harnstoff

Physikalische Eigenschaften

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Thymin bildet glänzende, bitter schmeckende, nadelförmige oder prismenförmige Kristalle[9], die bei 335–337 °C unter Zersetzung schmelzen.[10] Die Verbindung löst sich gut in heißem Wasser, in Alkohol und Ether ist die Löslichkeit gering.[9] In alkalischen Medien löst es sich unter Salzbildung infolge einer Enolatbildung abgeleitet von der Enolform 5-Methyl-2,4-pyrimidindiol.[10]

Chemische Eigenschaften

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Prinzipiell kann Thymin in sechs tautomeren Strukturen vorliegen. Die Lactamform (1) wird aber gegenüber den Enolformen bevorzugt.[11]

Tautomere des Thymins

Es ist isomer zu 3-Methyluracil.

Geschichte und biologische Bedeutung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1893 berichtete der spätere Nobelpreisträger Albrecht Kossel von einer Entdeckung. Aus den Thymusdrüsen des Kalbes hatte er mit dem Assistenten Albert Neumann Nukleinsäure gewonnen und mit Schwefelsäure behandelt. Es bildete sich ein gut kristallisiertes Spaltprodukt, für das – abgeleitet von der Thymusdrüse – der Name Thymin vorgeschlagen wurde.[12][13]

Thymin kann Bestandteil der DNA oder verschiedener Nukleoside und Nukleotide sein.

Über das N1-Atom des Ringes kann Thymin an das C1-Atom der Desoxyribose N-glycosidisch gebunden werden; man spricht dann von einem Nukleosid, dem Desoxythymidin. Bei der Bindung an Ribose entsteht das Nukleosid Ribothymidin.

Desoxythymidin, dT Ribothymidin, T

Über die Phosphorylierung des Thymidins am C5-Atom der Ribose gelangt man zu den wichtigen Nukleotiden Desoxythymidinmonophosphat (dTMP), Desoxythymidindiphosphat (dTDP) und Desoxythymidintriphosphat (dTTP).

Strukturformel von dTTP

Bestandteil der DNA

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der DNA-Doppelhelix bildet Thymin über die 4-Oxogruppe und die N3–H-Gruppe zwei Wasserstoffbrücken mit der zugehörigen Adenin-Base des komplementären Stranges aus.

Strukturformel eines A-T-Basenpaars

Vergleich von Thymin und Uracil

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der DNA tritt Thymin an die Stelle von Uracil. Uracil kann relativ einfach durch Desaminierung und Hydrolyse aus Cytosin entstehen, wodurch dann die Basensequenz geändert (mutiert) und die in der Nukleotidsequenz genetisch codierte Information womöglich verändert wird.

Desaminierung von Cytosin zu Uracil

Thymin hingegen unterscheidet sich vom Uracil durch eine zusätzliche Methylgruppe und kann so auch nicht ohne weiteres aus Cytosin entstehen. In der DNA vorhandenes Uracil kann somit als Mutation erkannt und durch Basenexzisionsreparatur gegen Cytosin ausgetauscht werden.

Bei Thymindimeren handelt es sich um eine DNA-Mutation, welche durch UV-Strahlung induziert wird. Dabei verbinden sich zwei auf einem DNA-Strang nebeneinanderliegende Thymin-Basen über eine [2+2]-Cycloaddition kovalent zu einem Dimer, das ein relativ stabiles Cyclobutan-Derivat ist.[14]

Bildung eines Thymindimers[15]

Besonders anfällig für eine solche Mutation sind Hautzellen, die dem Sonnenlicht ausgesetzt sind. Aus diesem Grund werden Thymindimere als eine wesentliche Ursache für die Entstehung von Hautkrebs diskutiert.[16]

Thymin dient als Ausgangsstoff für einige Arzneistoffe wie z. B. Zidovudin, Telbivudin und Clevudin.

Commons: Thymin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Eintrag zu Thymine in der Human Metabolome Database (HMDB), abgerufen am 18. November 2013.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Eintrag zu THYMINE in der CosIng-Datenbank der EU-Kommission, abgerufen am 28. Dezember 2020.
  2. a b c d Datenblatt Thymin bei Alfa Aesar, abgerufen am 23. November 2013 (Seite nicht mehr abrufbar).
  3. K. Ozeki, N. Sakabe, J. Tanaka: „The crystal structure of thymine“, in: Acta Cryst., 1969, B25, S. 1038 (doi:10.1107/S0567740869003505).
  4. Europäisches Arzneibuch 10.0. Deutscher Apotheker Verlag, 2020, ISBN 978-3-7692-7515-5, S. 941.
  5. Shimizu: Biochem. Zeitschrift, 1921, 117, S. 262.
  6. König, Grossfeld: Biochem. Zeitschrift, 1913, 54, S. 371.
  7. G. Shaw, R. N. Warrener: „33. Purines, pyrimidines, and glyoxalines. Part VIII. New syntheses of uracils and thymines“, in: J. Chem. Soc., 1958, S. 157–161 (doi:10.1039/jr9580000157).
  8. H. W. Scherp: „Convenient Syntheses of Thymine and 5-Methylisocytosine“, in: J. Am. Chem. Soc., 1946, 68, S. 912–913 (doi:10.1021/ja01209a510).
  9. a b Brockhaus ABC Chemie, Verlag Harri Deutsch Frankfurt/Main und Zürich 1965.
  10. a b Eintrag zu Thymin. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 9. Dezember 2014.
  11. S. Hauptmann, J. Gräfe, H. Remane: Lehrbuch der organischen Chemie, VEB Deutscher Verlag der Grundstoffindustrie, Leipzig 1980, S. 556.
  12. Kossel, A. und A. Neumann: Über das Thymin, ein Spaltungsproduct der Nucleinsäure. In: Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft, Band 26, 1893, S. 2753
  13. Kossel, A. und A. Neumann: Darstellung und Spaltungsproducte der Nucleinsäure (Adenylsäure). Vortrag in: Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft, Band 27, 1894, S. 2215.
  14. Durbeej, B.; Eriksson, L.A.: Reaction mechanism of thymine dimer formation in DNA induced by UV light in J. Photochem. Photobiol. A: Chem. 152 (2002) 95–101, doi:10.1016/S1010-6030(02)00180-6.
  15. K. Peter C. Vollhardt, Neil E. Schore: Organische Chemie, 4. Auflage, Wiley-VCH, Weinheim 2005, ISBN 3-527-31380-X, S. 181.
  16. Alberts, Bray, Johnson, Lewis: Lehrbuch der molekularen Zellbiologie, 2. korrigierte Auflage, Wiley-VCH, Weinheim 2001, ISBN 3-527-30493-2.