Manche seiner Ideen und Erfindungen davon nutzen wir auch heute noch, 300 Jahre nach seinem Tod. Zeit, euch das Universalgenie einmal vorzustellen.
Gottfried Wilhelm Leibniz: Der Alleskönner
London im Februar 1673. Fasziniert folgen die Gelehrten der "Royal Society" der Vorführung eines wortgewandten jungen Mannes. Es sei unwürdig, Zeit mit Rechenaufgaben zu verschwenden, erklärt dieser leichthin. Deshalb habe er, Gottfried Wilhelm Leibniz, einen Apparat entwickelt, der dem Menschen die lästige Arbeit abnehme. Welch eine Erleichterung! Die Engländer sind so begeistert von der Maschine, dass sie den Bewerber in ihre berühmte Gesellschaft aufnehmen. Typisch Leibniz.
Offenbar liebt der nichts mehr, als knifflige Probleme zu lösen – ob in der Mathematik, der Philosophie, den Rechtswissenschaften, in Diplomatie, Geschichte, Technik … Überall macht er mit seinen Ideen von sich reden. Experten sagen: Nach ihm habe nie mehr wieder ein solcher Alleskönner gelebt. Doch wie wird ein Mensch zu einem Tausendsassa?
Gottfried Wilhelm Leibniz möchte raus in die Welt
Natürlich hat Leibniz ein bisschen Glück gehabt. Er wird 1646 in Leipzig als Sohn eines Professors geboren. In einer Zeit, in der viele Kinder nicht einmal lesen lernen und Bücher
Kostbarkeiten sind, findet er in seinem Zuhause eine ganze Bibliothek vor.
Schon mit acht Jahren bringt sich der Junge selbst Latein und Altgriechisch bei. Mit 15 beginnt er zu studieren. Bereits mit 20 ist er Doktor der Philosophie und Rechtswissenschaften, und kaum später bietet man dem Wunderknaben an der Nürnberger Universität eine Stelle als Professor an. Doch Leibniz lehnt ab.
Sein Wahlspruch ist "Theoria cum praxi", Theorie mit Praxis. Das bedeutet: Er will die Welt nicht nur im stillen Kämmerlein erforschen – er will sie sehen und Dinge ändern. Und das kann er damals am besten als Berater eines mächtigen Herrschers.
1670: Leibniz tritt in den Dienst des Erzbischofs von Mainz
Der Erzbischof schickt ihn noch im selben Jahr als Diplomat nach Paris: Dort soll er Ludwig XIV., den französischen "Sonnenkönig", davon abhalten, einen Krieg gegen die Niederlande zu beginnen, der sich womöglich auf ganz Europa ausbreitet. Leibniz legt dem Monarchen wortreich dar, warum es für ihn besser sei, stattdessen einen Ägyptenfeldzug zu starten.
Ludwig XIV. hörte jedoch nicht auf Leibniz und griff die Niederlande 1672 an. Den von Leibniz vorgeschlagenen Ägyptenfeldzug führt Kaiser Napoleon Bonaparte 126 Jahre später aus.
Doch Leibniz ist nicht lange enttäuscht. Die riesige Stadt mit all ihren Denkern ist für ihn das Paradies. Wo er kann, diskutiert er mit französischen Philosophen und lässt sich von Physikern die neuesten Ergebnisse der Naturwissenschaften und Mathematik erklären. Bald beschließt er: Das muss auch ich lernen!
Das Binärsystem
In den folgenden Jahren stürzt er sich in die Welt der Zahlen – und entwickelt etwa die Infinitesimalrechnung, die Schüler noch immer in der Schule lernen, und das Binärsystem, mit dem Computer heutzutage arbeiten. Im Binärsystem werden alle Zahlen nur mit Nullen und Einsen geschrieben: 1 ist im Binärsystem beispielsweise 1, 2 ist 10 und 3 ist 11.
Um 1676 beschließt Leibniz jedoch, Paris zu verlassen. Er wird Berater des Welfenherzogs Johann Friedrich in Hannover. Die Stadt hat damals kaum 10 000 Einwohner und ist im Vergleich zu Paris ein Kaff. Doch Leibniz hat die Stelle bewusst gewählt: Hier hat er ein sicheres Einkommen, jede Menge Einfluss und vor allem Zeit für seine Forschungen.
In den folgenden Jahren entwickelt er ein System, um Bücher in Bibliotheken zu ordnen und denkt sich eine Naturkatastrophen-Versicherung aus, mit der sich die Untertanen des Herzogs gegen Feuer oder Überschwemmungen absichern können.
Die Monadenlehre
Und natürlich diskutiert er immer weiter. So wie sich Menschen heute über Facebook vernetzen, baut sich Leibniz über Briefkontakte ein riesiges Netzwerk auf. Experten schätzen, dass er in seinem Leben rund 20.000 Briefe an 1300 Persönlichkeiten geschrieben hat, darunter Philosophen, Sprachforscher, Fürstinnen – in England, Frankreich, sogar China!
Auf diese Weise strömen ständig aufregende Gedanken in das verschlafene Hannover, über die Leibniz im Bett oft bis spät in die Nacht hinein grübelt. "Beim Erwachen hatte ich
so viele Einfälle, dass der Tag nicht ausreichte, sie alle niederzuschreiben", sagt er.
Und ist sich Leibniz mal nicht sicher, ob eine Idee gut ist – etwa seine berühmte, aber auch komplizierte Monadenlehre, bittet er sofort andere um ihre Meinung.
Leibniz stirbt 1716
Mit 70 Jahren stirbt Leibniz 1716 in Hannover. Heute tragen Rechenregeln, Schulen, Universitäten und andere Forschungseinrichtungen seinen Namen. Und sogar ein Keks wurde nach ihm benannt – weil sich das Genie selbst über Backwerk seine Gedanken gemacht und Soldaten Zwieback als haltbaren Proviant empfohlen hat.
Die Firma Bahlsen benannte deshalb 1891 einen trockenen Butterkeks nach ihm – mit dem Werbespruch: "Was isst die Menschheit unterwegs? Na selbstverständlich Leibniz Cakes!"