Seitdem die Alternative für Deutschland in den Bundestag eingezogen ist, hat sich eine neue Streitkultur im Parlament etabliert. Dadurch haben die Stenografen alle Hände voll zu tun.

Stenografen im Deutschen Bundestag:
Alexander Gauland (77), Fraktionsvorsitzender der Alternative für Deutschland (AfD), läutete den Einzug der "Alternative für Deutschland" mit den Worten "Wir werden sie jagen" ein. Neben der Schärfer solcher Ankündigungen hat sich einiges mehr verändert, seit dem die AfD Teil der Legislative auf Bundesebene ist.

Hinter dem Redepult streiten sich Politiker aller Couleur seitdem mit der AfD. Ganz unbemerkt sitzen jedoch wahre Schreib-Maschinen vor dem Redepult und sorgen dafür, dass jedes Wort, jeder Zwischenruf und jedes Klatschen verschriftlicht wird: Stenografen.

Ihr Arbeitspensum und ihre Arbeitsweise hat sich seit dem Einzug der AfD in das Reichstagsgebäude am Platz der Republik verändert. Die "Süddeutsche Zeitung" hat in aufwendiger Recherche, erfasste Daten der Stenografen analysiert und kommt zu einem eindeutigen Fazit: Die AfD will nicht nur die Gesellschaft spalten. Dieser Drang zur Spaltung produziert sogar einen Riss im Bundestag.


Stenografen versuchen Emotionen einzufangen

Stenografen halten neben dem exakten Wortlaut einer Rede auch die daraus resultierenden emotionalen Reaktionen, wie Zwischenrufe und Klatscheinlagen fest. Dabei wird auch registriert, aus welcher Fraktion ein höhnisches Klatschen oder ein aggressiver Zwischenruf stammt.
Während die Stenografen in der vergangenen Legislaturperiode Lachen eher als Heiterkeit deuteten, ist es in der Aktuellen umgekehrt: Mittlerweile hat eine Kultur im deutschen Bundestag Einzug gehalten, die Lachen als Mittel der Erniedrigung des Gegners oder als Äquivalent einer sich selbst erhöhenden Haltung deuten lässt. Besonders häufig benutzt die AfD dieses "Stilmittel" des Diskures".
Doch Vorsicht vor voreiligen Schlüssen: Sie wird ebenfalls Opfer davon.

Den Recherchen der "SZ" zufolge wurden bei Reden anderer Fraktionen insgesamt 156 Lacher aus den Reihen der Alternative für Deutschland in den Stenografien vermerkt. Darunter 68 Beispiele bei Reden der CDU/CSU. Der Lachanteil bei Unionsreden ist überproportional hoch. Die anderen Fraktionen wurden alle mit unter 60 Lachern abgestraft.


Neue Streitkultur durchdringt alle Fraktionen

Diese neue Streitkultur betrifft jedoch keinesfalls nur die AfD: "Wenn die anderen Fraktionen lachen, dann vor allem über die AfD. Insgesamt trifft die AfD das Lachen der anderen 180 Mal." Beispielsweise wurden aus den Reihen der SPD, 58 Fälle von Lachens gezählt.

Kurioser Weise lachen die etablierten Parteien kaum übereinander. Klammert man die AfD aus, so muss man lange nach Lachern während Reden suchen. Des weiteren zeigen die Recherchen deutlich, dass das Lachen lediglich im Kollektiv eine Waffe ist. Eine Waffe, "die die Fraktion gezielt als Instrument der politischen Auseinandersetzung nutzt".

Eine Zahl, die ebenfalls massiv gestiegen ist, betrifft Zwischenrufe: In diesem Fall zeigen sich besonders die Grünen ruffreudig. 1311 Mal riefen Abgeordnete der Grünen-Fraktion bei Reden dazwischen - ein Rekordwert! Dabei trifft es insbesondere die Reden der Alternative für Deutschland. Steht ein AfD-Politiker am Redepult des Bundestages, kann sich die Fraktion der Grünen kaum halten: 453 Zwischenrufe wurden dabei gezählt. Im Gegensatz dazu wurden 1100 Zwischenrufe der AfD bei anderen Parteien registriert - jedoch nie bei Reden Abgeordneter aus den eigenen Reihen.

Die Recherchen der "Süddeutschen Zeitung" zeigen, dass die Stenografen des deutschen Bundestages alle Hände voll zu tun haben, sobald die AfD in den politischen Diskurs einsteigt.
Der Ankündigung Gaulands zu Beginn der Legislaturperiode scheint die Partei gerecht werden zu wollen - im Kollektiv.