Lexikon
Ausgrabung
das Freilegen, Untersuchen und Bergen von Bodendenkmälern als den Zeugnissen vergangener Kulturen mit wissenschaftlichen Methoden.
Ausgrabungen wurden und werden in fast allen Ländern der Erde seit ihrem Beginn im 16. Jahrhundert in Italien vorgenommen, mit wissenschaftlichen Methoden jedoch erst seit den Ausgrabungen von Pompeji (1799–1814). Die Zeit der großen Ausgrabungen begann um 1811 in Babylon. 1842 legte P. E. Botta den Palast des Königs Sargon II. in Dur Scharrukin (Khorsabad) frei, 1845–1850 H. A. Layard die Tontafelbibliothek des Königs Assurbanipal in Ninive und 1857 C. T. Newton das Mausoleum in Halikarnassos. Seit 1871 gruben H. Schliemann und W. Dörpfeld in Mykene, Tiryns und Troja, seit 1875 E. Curtius in Olympia, seit 1899 R. Koldewey in Babylon und seit 1900 Sir A. Evans in Knossos auf Kreta. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Assur aufgedeckt, 1904 das Osebergschiff in Norwegen. 1906 begannen die Ausgrabungen in Hattusa (Bogazköy), 1912 in Uruk (Warka) und 1917 im Tal der Könige bei Luxor (Ägypten). Siedlungsspuren in Ur und sumerische Königsgräber mit vielen Beigaben förderten seit 1925 die Ausgrabungen von L. Woolley zu Tage, etwa gleichzeitig mit der Freilegung von Chichén Itzá (Yucatán), der altchinesischen Hauptstadt Anyang und seit 1920 von Harappa und Mohenjo-Daro (1922). Seit 1974 wird an der Grabanlage des ersten chinesischen Kaisers Qin Shihuangdi gearbeitet.
Assur: Ruinen
Ruinen von Assur
© Corbis/Bettmann
Chichén Itzá: Tempel der Krieger
Tempel der Krieger
© shutterstock.com/Karen Struthers
Nach dem 2. Weltkrieg wurden unterbrochene Ausgrabungen vielfach wieder aufgenommen, neue kamen hinzu, so in Rom, Olympia, Athen, Ägypten, Palästina, Kleinasien, südlichen Teilen der Sowjetunion und Mittel- und Südamerika. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts werden in steigender Zahl in der ganzen Welt auch Ausgrabungen vorgeschichtlicher Kulturen unternommen und vor allem Höhlen, Siedlungen, Friedhöfe, Befestigungen und Kultstätten untersucht. Ruinenbeseitigung und Erdarbeiten vor dem Neuaufbau kriegszerstörter europäischer Städte brachten die Stadtkernforschung in Gang. Neuerdings bedient man sich auch zur Erforschung der mittelalterlichen Bau- und Siedlungsgeschichte (Pfalzen, Burgen, Wüstungen, Kirchen) der Hilfe von Ausgrabungen. Die meisten Ausgrabungen sind heute kurzfristige Rettungsgrabungen (Notgrabungen), bei denen durch Erd- und Bauarbeiten bedrohte Fundplätze untersucht werden. Langfristige Plan- und Problemgrabungen haben im Gegensatz dazu die vollständige Erfassung der Fundstelle zum Ziel (Siedlungsarchäologie).
Die Ausgrabungsmethoden richten sich nach den am Grabungsplatz angetroffenen Bodenverhältnissen, der Art und Lage der Bodendenkmäler, der voraussichtlichen Grabungstiefe und der Flächenausdehnung der Fundstelle. Glatte waagerechte (Planum) und senkrechte Erdschnitte (Profil) geben Einblick in den Boden. Mit Vermessung, Fotografie, Zeichnung, Stratigraphie und naturwissenschaftlichen Verfahren werden Fundsituation und Fund an sich erfasst und Fundgegenstände sofort in ihrer Fundzugehörigkeit registriert. Der Grabungsleiter muss stets wissen, welche technischen Mittel und speziellen Methoden er im gegebenen Fall anwenden muss. Die Ausgrabungsgesetze der meisten Staaten bestimmen daher, dass Ausgrabungen nur von Fachleuten ausgeführt werden dürfen. Sie stellen außerdem ortsfeste Denkmäler unter Schutz und verpflichten zur Meldung beim Auftreten von Bodenfunden. Unterwasserarchäologie.
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