Inflation so niedrig wie seit 2021 nicht mehr – doch der private Konsum bereitet weiter Sorgen
Die Inflationsrate ist gesunken.
Quelle: Patrick Pleul/dpa
Berlin. Die Teuerung in Deutschland ist so niedrig wie seit dreieinhalb Jahren nicht mehr. Im September lagen die Verbraucherpreise nur noch 1,6 Prozent höher als im Vorjahresmonat, teilte das Statistische Bundesamt am Montag in einer ersten Schätzung mit. Noch niedriger hatte die Inflationsrate zuletzt im Februar 2021 gelegen.
Damit setzt sich eine Entwicklung fort, die schon seit einigen Monaten andauert. Im August lag die Inflationsrate bei 1,9 Prozent, im Juli waren es 2,3 Prozent gewesen. „Damit scheint die Inflationsentwicklung entschärft“, sagt Christoph Swonke, Konjunkturanalyst der DZ-Bank.
Billiger wird das Leben durch die niedrige Inflation allerdings nicht. Zwar mussten die Verbraucherinnen und Verbraucher im September deutlich weniger für Energie bezahlen als im August (minus 7,6 Prozent), wozu vor allem der sinkende Ölpreis beigetragen hat. Die Preise für Lebensmittel (plus 1,6 Prozent) und Dienstleistungen legten aber zu. Unterm Strich blieb das hohe Preisniveau im Vergleich zum August unverändert.
Volkswirte gehen davon aus, dass der Trend sinkender Teuerungsraten weiter anhält. In ihrem kürzlich veröffentlichten Herbstgutachten rechnen die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute für das laufende Jahr mit einem Anstieg der Verbraucherpreise um 2,2 Prozent – nach 5,9 Prozent 2023. Im kommenden Jahr werde die Inflation dann nur noch bei 2,0 Prozent liegen. Nach einer aktuellen Umfrage des Ifo-Instituts wollen immer weniger Unternehmen in Deutschland ihre Preise erhöhen. Die Ifo-Preiserwartungen sanken im September auf den niedrigsten Wert seit Februar 2021.
Der Druck auf die EZB wächst
Die sinkende Inflation dürfte die Spielräume für die Europäische Zentralbank (EZB) erhöhen, die Leitzinsen im Euro-Raum weiter zu senken. Die erste Zinssenkung seit der Inflationswelle hatten die Währungshüter im Juni verkündet, in der vorvergangenen Woche dann senkten sie den Einlagenzinssatz ein weiteres Mal um 0,25 Prozentpunkte auf 3,5 Prozent.
Ob die EZB bei ihrem nächsten Zinsentscheid im Oktober weitermacht, ist unklar. Bis Jahresende aber rechnen Beobachter und Analysten mit mindestens einem weiteren Senkungsschritt, zumal auch der für die europäische Geldpolitik relevante harmonisierte Verbraucherpreisindex von 2,0 auf 1,8 Prozent gesunken ist und damit erstmals seit Februar 2021 wieder unter der Zielmarke der EZB von 2,0 Prozent liegt.
„Angesichts der schwachen Konjunkturdaten kommt die Europäische Zentralbank unter Druck, ebenso wie die US-Notenbank die Zinsen schneller zu senken“, sagte Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater der Deutschen Presse-Agentur. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer warnte hingegen: „Die EZB sollte sich gut überlegen, ob sie wirklich den Terminmärkten folgt, die bereits für Oktober die nächste EZB-Zinssenkung erwarten.“
Der Rückgang der Inflation in Deutschland hat bisher nicht die Konsumlaune der Verbraucherinnen und Verbraucher angekurbelt. Laut jüngstem GfK-Konsumklimaindex verharrte die Stimmung im September auf sehr niedrigem Niveau – trotz gestiegener Löhne. Viele Menschen legten ihr Geld lieber auf die hohe Kante, anstatt es in den Bau eines Eigenheims oder für den Konsum auszugeben, befanden auch die Wirtschaftsexperten in ihrem Herbstgutachten.
Für die derzeit schwächelnde Konjunktur sind das keine guten Aussichten, gilt der private Konsum doch als wichtige Stütze für die schwache deutsche Wirtschaft, die am Rande der Rezession steht. Experten machen für den stockenden Konsum auch die auf längere Sicht gesunkene Kaufkraft der Verbraucher verantwortlich. Der russische Angriff auf die Ukraine hatte eine Inflationswelle ausgelöst – danach waren die Energiepreise rasant gestiegen.
Mit Material von dpa