Überblick
Bis Mitte der 1960er-Jahre war das Zentrum der Île-de-France, der Kernlandschaft des Pariser Beckens, von einem kaum kontrollierten Ausufern der französischen Hauptstadt gekennzeichnet. Als dessen Hauptachsen dienten die Verkehrswege, wie sich an der Verteilung der Siedlungs- und Freiflächen erkennen lässt. Erst durch den Raumordnungsplan von 1965 wurden strategische Grundsätze für die städtebauliche Entwicklung der Region Paris festgelegt.
Die historische Entwicklung der Pariser Innenstadt
Das Zentrum von Paris lässt bis heute Spuren seiner historischen Entwicklung erkennen. Eine markante Strukturlinie ist die Seine. Ausgangspunkt der Besiedlung war eine Passage über den Fluss im Bereich der Insel Ile-de-la-Cité. Das Straßennetz von Paris weist bis heute geometrische Regelmäßigkeiten auf, die auf die gallo-römische Stadtanlage zurückgehen.
Charakteristisch für Paris ist eine klare funktionale Differenzierung, die ebenfalls ein Relikt seiner Geschichte ist. Mittelalterliche Pläne unterteilten die Stadt in Université, Cité und Ville de Paris. Mit „Université“ war das „Quartier Latin“ gemeint. Die „Cité“ umfasste die Seineinsel mit dem Königspalast, der Kathedrale und öffentlichen Einrichtungen. „Ville de Paris“ war der Name für das frühbürgerliche Paris am nördlichen Seineufer, das sich seit der frühen Frankenzeit zum wirtschaftlichen Zentrum entwickelt hatte. Der Louvre wurde im 13. Jahrhundert angelegt. Auch am Ostrand der mittelalterlichen Stadtummauerung entstanden Stadtpaläste des Königs und des Adels. Das Marais-Viertel wurde zum bevorzugten Wohngebiet des Hochadels, wie die vielen Stadtpaläste oder „Hôtels“ in diesem Stadtteil belegen.
Die großen Straßendurchbrüche, Platzanlagen, Parks und andere Infrastrukturmerkmale entstanden dagegen erst in der Neuzeit. Dabei spielte die Stellung von Paris als Residenzstadt eine große Rolle. Markant ist zum Beispiel die vom „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. im 17. Jahrhundert konzipierte Ost-West-Achse, die vom Louvre aus zum königlichen Jagdwald von Saint-Germain-en-Laye führte. Im Zeitalter des Absolutismus entwickelten sich die westlichen Viertel Saint-Honoré und Saint-Germain-des-Prés zu bevorzugten Bezirken des Hochadels und des Großbürgertums, wie die Anlage der Avenue des Champs-Elysées, des Invalidendoms und weitere Prachtstraßen und Plätze ab dem Ende des 17. Jahrhunderts belegt.
Baron Haussmann und das moderne Paris
Die soziale und funktionale Differenzierung der Innenstadt verstärkte sich im 19. Jahrhundert. Unter Napoléon I. wurden bereits Strukturveränderungen eingeleitet. Die gravierendsten Veränderungen, vor allem im Straßennetz, erfuhr die Innenstadt jedoch unter Napoléon III. und seinem Stadtpräfekten Baron Haussmann um die Mitte des Säkulums. Unter Haussmann wurde nicht nur die große Nord-Süd-Achse zwischen Ostbahnhof und Montparnasse abgelegt, sondern auch die West-Ost-Achse über die Rue de Rivoli bis zur Place de la Bastille und die inneren Boulevardringe. Kennzeichnend für das neue Paris wurden sternförmige Straßenkreuzungen, in deren Zentrum ein markanter Blickfang lag; exemplarisch dafür ist der Place Charles de Gaulle mit dem zentralen Triumphbogen.
Im Westen der Innenstadt entstanden derweil neue „Nobelviertel“. Der Pariser Osten und die Außenbezirke verarmten hingegen und entwickelten sich auch deshalb zu dem berüchtigten „Ceinture rouge“, dem „roten Gürtel“. Die Entwicklung von Saint Honoré zum Hauptgeschäftszentrum mit zahlreichen Großkaufhäusern entlang der Boulevards fällt vor allem in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Zur Entwicklung der Agglomeration Paris
Charakteristisch für die Innenstadt und Agglomeration Paris sind Ringstrukturen. Der innere Boulevardring wurde um die Mitte des 19. Jahrhunderts angelegt (s. o.), gleiches gilt für das darin erkennbare Achsenkreuz. Der äußere Boulevardring, der „Boulevard Périphérique“, ist ein Autobahnring, der 1973 fertiggestellt wurde und das Département Ville-de-Paris umgrenzt. Ein dritter Autobahnring um den Großraum Paris, „La Francilienne“, befindet sich im Ausbau. Seine Fertigstellung war für 2015 vorgesehen, wird sich aber noch verzögern.
Das Wachstum des Agglomerationsraums Paris vollzog sich in verschiedenen Phasen. In der ersten entstanden rund um das Zentrum unmittelbar angrenzende Vororte, die sich mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert zu Arbeitervierteln entwickelten.
Das Wachstum im Gebiet zwischen dem Boulevard Périphérique und dem geplanten dritten Autobahnring („Banlieue Extérieure“) setzte dagegen verstärkt erst nach dem Zweiten Weltkrieg ein und war wesentlich durch den Raumordnungsplan von 1965 gelenkt. Zu den dringlichsten Zielen des Raumordnungsplanes zählten die Entlastung des Zentrums durch Verlagerung der Industrie in die Außenbezirke und die Konzentration von Tertiärfunktionen im Innenstadtbereich; die traditionelle Hauptachse der Stadtentwicklung, die Seine, sollte durch zwei Parallelachsen im Norden und Süden des Agglomerationsraums entlastet werden. Um die Verkehrsverbindungen zu verbessern, wurden eine Reihe neuer Verkehrsträger projektiert, darunter Straßen, Bahnlinien, insbesondere aber das S-Bahn-Netz. Gleichzeitig wurden „Zones Naturelles d‘Equilibre“ (Z.N.E.) als Erholungs- und Freizeiträume ausgewiesen. Nicht zuletzt wurde die Errichtung einiger multifunktionaler Planungsstädte beschlossen. Fünf dieser 20 bis 30 Kilometer vom Zentrum entfernt liegenden „Villes Nouvelles“ wurden schließlich realisiert: Cergy-Pontoise, Saint-Quentin-en-Yvelines, Marne-la-Vallée, Évry und Sénart (s. 126.2).
Ausschlaggebend für die Konzeption der Planstädte waren Prognosen, die für die Pariser Region, in der damals rund sieben Millionen Menschen lebten, eine Verdoppelung der Bevölkerung bis 2000 ermittelten (was sich als überzogen erwies). In den „Villes Nouvelles“ sollten etwa zwei Millionen Menschen Wohnung und Arbeit finden. Dieses ambitionierte Ziel wurde nie erreicht; tatsächlich leben in allen zusammen deutlich weniger als eine Million Menschen. Da die „Villes Nouvelles“ für große Teile ihrer Bevölkerung lediglich Wohnfunktion haben, mussten große Anstrengungen zum Ausbau des Verkehrsnetzes unternommen werden, um die täglichen Pendlerströme zu bewältigen.
Wie auf dem Kartenausschnitt gut zu sehen ist, ist eine großräumige Umgehung von Paris für den Fernverkehr bislang kaum möglich. Sämtliche Autobahnen und Fernstraßen führen direkt bis an den Rand der Innenstadt, was zu bestimmten Tageszeiten zu großen Verkehrsproblemen führt. Auch die beiden internationalen Großflughäfen Roissy-Charles de Gaulle und Orly liegen vergleichsweise dicht am Zentrum. Im Hochgeschwindigkeitsnetz der französischen Bahn (TGV) nimmtParis eine zentrale Stellung ein. Von mehreren Kopfbahnhöfen aus sind große Teile des Landes innerhalb weniger Stunden erreichbar (s. 129.2).
Zu den markanten Orten des Agglomerationsraums zählt die Bürostadt La Défense. Das Viertel ist Sitz zahlreicher Unternehmen und gilt als Europas größter Bürostandort, hat aber wegen der teilweise in die Jahre gekommenen Bausubstanz und hoher Immobilienpreise mit Abwanderungstendenzen zu kämpfen.
Auf dem Gebiet der Ville nouvelle Marne-la-Vallée liegt Disneyland Paris mit zwei Themenparks, Golfplätzen, Hotels sowie Wohn- und Geschäftsvierteln. Westlich der Stadt liegen das Schloss und der Park von Versailles. Mit jährlich rund drei Millionen Besuchern zählt es zu den beliebtesten Tourismuszielen weltweit.
Wirtschaftliche Stellung und aktuelle Entwicklung
Die Metropolregion Paris ist heute unangefochten das politische, wirtschaftliche und kulturelle Zentrum Frankreichs. Mit rund 12,3 Mio. Einwohnern (2013) beherbergt sie fast ein Fünftel der französischen Bevölkerung, gleichzeitig ist sie das bedeutendste Industrie- und Dienstleistungszentrum des Landes.
Seit Beginn des neuen Jahrtausends stagniert die Bevölkerung im Innenstadtbereich (Ville de Paris) auf einem Niveau von rund 2,25 Mio. Menschen (Stand2013), während die Metropolregion seit Jahrzehnten einen kontinuierlichen Zuwachs verzeichnet (vgl. Diagramm S. 127). Das Metronetz, eines der größten weltweit, wurde in den letzten Jahrzehnten ständig durch neue U- und S-Bahn-Linien, Straßenbahnen und Buslinien ergänzt, um den Nahverkehr für Millionen Menschen sicherzustellen. Überdies wurde 2007 ein flächendeckendes Netz aus öffentlichen Fahrradleihstationen eröffnet, um den Nahverkehr zu entlasten.