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Juventus Turin: Die "Alte Dame" schnappt nach Luft - mit Ronaldo hat das wenig zu tun

Thomas Gaber

Update 21/09/2021 um 08:11 GMT+2 Uhr

Der Serienmeister in Italien ist nach vier Spieltagen auf einen Abstiegsplatz gestürzt. Das hat wenig mit dem Abgang von Cristiano Ronaldo zu tun, vielmehr hat Trainer Allegri enorme Anlaufschwierigkeiten bei seinem Comeback in Turin. Er überfordert die Mannschaft und kommuniziert unglücklich. Doch nicht nur sportlich gibt es keine allzu guten Nachrichten für die Tifosi.

Europameister mit Problemen im Verein: Juve-Stürmer Federico Chiesa

Fotocredit: Getty Images

Letzten Donnerstag gab es endlich mal wieder eine gute Nachricht für die Fans von Juventus Turin. Mino Raiola, Berater von Paul Pogba, verriet bei "Rai Sport", dass durchaus eine Chance bestehe für die Rückkehr seines Klienten zur "Alten Dame". "Pauls Vertrag bei Manchester United läuft 2022 aus. Wir werden mit dem Klub sprechen und abwarten, was passiert. Turin hat einen Platz in seinem Herzen, eine Rückkehr zu Juventus ist eine Option", sagte Raiola.
Einen wie Pogba, der von 2012 bis 2016 für Juve spielte und dort zu einem der besten zentralen Mittelfeldspieler Europas avancierte, könnten die "Bianchoneri" schon jetzt gut gebrauchen. Einen intelligenten Kopf mit Ruhe am Ball, der defensiv wie offensiv über herausragende Fähigkeiten verfügt und eine Mannschaft führen kann. Denn bei Juventus herrscht in der noch jungen Saison vor allem eines: Chaos.
Nach vier Spieltagen steht Juve noch immer ohne Sieg in der Serie A da und stürzte durch das 1:1 gegen den AC Milan gar auf einen Abstiegsplatz. So schlecht startete "La Vecchia Signora" seit 60 Jahren nicht mehr.
"Juve ist im Keller angekommen", titelte die "Gazzetta dello Sport". Auch das zwischenzeitliche 3:0 in der Champions League bei Malmö FF kann nicht über den mehr als enttäuschenden Saisonstart hinwegtäuschen.

Massimiliano Allegri: "So kann man keine Meisterschaft gewinnen"

Trainer Massimiliano Allegri machte aus seinem Ärger über den historischen Absturz nach dem Milan-Spiel keinen Hehl. "Ich bin über dieses Spiel ziemlich wütend, trotz der ersten Halbzeit, in der wir viele Gelegenheiten hatten", sagte er.
Was Allegri besonders wurmt, sind die individuellen Fehler, mit denen sich Juve permanent das Leben schwer macht. "Es gibt Momente im Spiel, in denen man gewisse Fehler nicht machen darf. Wir müssen lernen, dass es Spiele gibt, wo du in den letzten Minuten knallhart und fies sein musst", analysierte Allegri.
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Szczesny und Bonucci während des Auswärtsspiels beim SSC Neapel

Fotocredit: Imago

Das Gegentor durch Ante Rebic (76.) fiel nach einer Ecke, als der Ex-Frankfurter sträflich frei einköpfen konnte, obwohl Torhüter Wojciech Szczesny Adrien Rabiot lautstark anwies, er möge Rebic doch bitte nicht aus den Augen verlieren. Im ersten Saisonspiel, beim 2:2 gegen Udinese Calcio, war es Szczesny, der bei beiden Gegentreffern eine unglückliche Figur machte. Allegris bitteres Fazit: "Wenn man so viele einfache Fehler macht, kann man keine Meisterschaft gewinnen."

Genügend Qualität trotz des Abgangs von Cristiano Ronaldo

Das war ihm mit Juventus zwischen 2015 und 2019 fünfmal in Folge gelungen. Eine Saison als Juve-Coach ohne Scudetto kennt Allegri nicht. Neben vier Pokal- und zwei Supercup-Siegen zog er in dieser Zeit auch zweimal ins Finale der Champions League ein. Dementsprechend euphorisch war der Turiner Anhang, als Allegri im Sommer zurückkehrte und das Amt des glücklosen Andrea Pirlo übernahm.
Doch Juve ist hart auf dem Boden der Tatsachen aufgeschlagen. Neben vielen vermeidbaren Fehlern, die zu Gegentoren führten, wirkt das Offensivspiel bemerkenswert ideenlos. Das einzig und allein am Weggang von Cristiano Ronaldo festzumachen, wäre zu einfach.
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Cristiano Ronaldo (Juventus Turin)

Fotocredit: Getty Images

Das Hin-und-Her im Zuge seines Wechsels zu Manchester United, als die Saison bereits lief, war sicherlich nicht förderlich - aber Juve war in der Serie A in der Zeit vor Ronaldo eine Klasse für sich und verfügt in der Offensive nach wie vor über ausreichend Qualität. Paulo Dybala, Alvaro Morata, Federico Chiesa, Federico Bernardeschi, Dejan Kulusevski - das ist in der Breite immer noch einzigartig in der Serie A.
Zudem sind alle Spieler nicht erst seit gestern bei Juve und wissen genau, was es bedeutet, das schwarz-weiße Trikot zu tragen. Das gilt im Übrigen für alle Mannschaftsteile. In der Abwehr stehen weiterhin die Europameister Giorgio Chiellini und Leonardo Bonucci ihren Mann, Alex Sandro, Danilo, Juan Cuadrado, Mattia De Sciglio und Adrien Rabiot haben ebenfalls die Juve-DNA intus. Und mit Manuel Locatelli schloss sich ein weiterer Europameister im Sommer der "Alten Dame" an.

Juventus Turin: Mangelnde Physis das große Problem

Wo genau liegt also Juves Hauptproblem? Für Serie-A-Experte Carlofilippo Vardelli von Eurosport Italien in der Spielweise. "Allegri hat das Spiel hin zu mehr Ballbesitz verändert mit einer offensiveren Ausrichtung. Die Mannschaft soll mehr pushen, doch darunter leidet die Defensive, weil das Spiel sehr kräftezehrend ist. Der Mannschaft gehen regelmäßig nach 60 Minuten die Körner aus. Juve hat in dieser Saison noch kein einziges Tor nach der Pause geschossen. Am Ende des Spiels gegen Milan haben einige Spieler ziemlich gepumpt", erklärt Vardelli.
Schon während seiner ersten Amtszeit bei Juve habe Allegri ein laufintensives Spiel geprägt und auch damals hätten die Spieler sich erst daran gewöhnen müssen. Aktuell sei die Mannschaft damit schlicht überfordert, so Vardelli. "Wenn es Allegri nicht gelingt, die Defensive zu stärken, wird Juve nicht das gelingen, was die Mannschaft eigentlich tun muss: um den Meistertitel zu kämpfen."
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Massimillano Allegri und Matthijs de Ligt

Fotocredit: Getty Images

Zudem fällt auf, dass Allegri seine Startelf von Spiel zu Spiel häufig gleich auf mehreren Positionen verändert. Einerseits verständlich aufgrund seines kärfteraubenden Spielstils, andererseits ist er weit davon entfernt, eine Stammelf aufbieten zu können.

Allegri hat ein Kommunikationsproblem

Laut Vardelli macht Allegri auch auf anderem Terrain nicht immer eine glückliche Figur. "Allegri hat ein Kommunikationsproblem. Er benutzt auf Pressekonferenzen häufig die falschen Worte. Er spricht oft von seiner 'jungen Mannschaft' und von Spielern, die noch 'viel lernen müssen'. Dabei hat er mit Spielern wie Chiesa oder de Ligt, die schon in ihrem jungen Alter den Unterschied ausmachen können."
Bei den Fans hat der einstige Erfolgscoach mittlerweile an Sympathie eingebüßt. "Die Anhängerschaft ist gespalten. Gut ein Drittel liebt Allegri nach wie vor, aber es gibt genauso viele, die ihn hassen", so Vardelli. Mit seiner Aussage nach dem Milan-Spiel dürfte Allegri diejenigen, die ihn zum Teufel wünschen, allerdings ein wenig besänftigt haben. "Ich hätte mehr Verteidiger einwechseln sollen. Am Ende haben wir sogar eine Niederlage riskiert", sagte er. So schonungslos eigene Fehler anzusprechen, kommt im Profifußball selten vor.
Bei seinen Chefs hat Allegri ohnehin nichts zu befürchten. "Die Klubführung steht total hinter ihm. Schließlich haben sie ihm auch einen Vierjahresvertrag gegeben", sagt Vardelli.
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Allegri mit Juventus auf Abstiegsplatz

Fotocredit: SID

Jetzt gilt es allerdings, schleunigst zu punkten, damit Juve nicht schon im Herbst 2021 den Scudetto 2022 abschreiben muss. Ein Sieg gegen Spezia Calcio am kommenden Mittwoch ist Pflicht und wäre Balsam für die Juve-Seele.
Die guten Nachrichten sind in dieser Saison nämlich rar gesät. Unmittelbar nach der Ankündigung von Mino Raiola, Pogba eventuell wieder nach Turin zu bringen, veröffentlichte der Verein die Zahlen des abgelaufenen Geschäftsjahres. Der Verlust beläuft sich coronabedingt auf 209,9 Millionen Euro, das Eigenkapital der Aktiengesellschaft schrumpfte von 239,2 auf 28,4 Mio. Euro.
Es wird Zeit für mehr good news in Turin, am besten auf dem Platz.
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Video credit: Perform

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