Gesetzliche Erbfolge Wer erbt, wenn es kein Testament gibt?
Finanztip-Expertin für Recht
Das Wichtigste in Kürze
So gehst Du vor
Fast jede Familie kennt das: Familienstreit und Ärger ums Erbe. Denn irgendwer fühlt sich immer benachteiligt. Oft tauchen verschiedene Testamente auf, vielleicht wurde jemand enterbt, oder es erben gerade diejenigen, die sich nie um den Verstorbenen gekümmert haben. Gibt es kein Testament, dann bestimmt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), wer erbt und wie viel. Ist die Erbfolge ohne Testament vielleicht gerechter? Wir erklären Dir, wie Du herausfinden kannst, wer bei Euch in der Familie etwas erben wird, wenn es nach dem Gesetz geht.
Jeder kann seine Erben selbst bestimmen. Wer aber ohne Testament oder Erbvertrag stirbt, für den bestimmt das Gesetz die Erbfolge. Und das ist in Deutschland der Regelfall, denn nach einer Umfrage von Yougov im August 2022 besaßen etwa 66 Prozent der Deutschen kein Testament. Dementsprechend entscheidet in rund zwei Dritteln der Todesfälle die gesetzliche Erbfolge, wer das Vermögen einer verstorbenen Person bekommt.
Nach dem Gesetz ist immer das Verwandtschaftsverhältnis zum Verstorbenen entscheidend: Zunächst erben die nächsten Verwandten, also Kinder und Enkel, dann weiter entfernte Verwandte wie Geschwister, Neffen und Nichten. Schließlich erben Onkel und Tanten sowie Cousins und Cousinen.
Wichtig: Nähere Verwandte schließen dabei grundsätzlich die weiter entfernten Verwandten von der Erbfolge aus. Das bedeutet konkret: Hat die verstorbene Person Kinder, dann erben die Geschwister der Verstorbenen nach dem Gesetz nichts.
Ehepartner sind nicht verwandt miteinander, sie erben aber nach dem Gesetz immer neben den Verwandten.
Das gesetzliche Erbrecht der Verwandten richtet sich nach einem Ordnungssystem. Danach werden Verwandte in drei Ordnungen aufgeteilt:
Wie die Verwandtschaftsbeziehungen nach dem Gesetz eingeordnet werden, kannst Du auf dem Schaubild „Gesetzliche Erbfolge ohne Testament“ sehen.
Wichtig: Verwandte der vorhergehenden Ordnung schließen Verwandte einer nachfolgenden Ordnung aus (§ 1930 BGB). Das bedeutet: Hatte der Verstorbene Kinder, erben weder die Eltern noch die Geschwister als Erben zweiter Ordnung. War der Verstorbene kinderlos, gibt es keine Erben erster Ordnung, sodass die Eltern des Erblassers als gesetzliche Erben zweiter Ordnung eingesetzt sind.
Innerhalb einer Ordnung gilt das sogenannte Repräsentationsprinzip. Das lässt sich mit einem Beispiel erklären: Stirbt der Großvater, dann erben dessen Kinder als Erben erster Ordnung; sie repräsentieren die Enkelkinder, die vom Großvater direkt nichts erben. Solange ein Bruder oder eine Schwester als Erben zweiter Ordnung noch leben, erben auch die Neffen und Nichten nicht. Andersherum treten die Kinder an die Stelle eines vorher verstorbenen Verwandten.
Neben den Verwandten erbt immer auch der noch lebende Ehegatte des Verstorbenen. Das Ehegattenerbrecht führt dazu, dass die Verwandten weniger erben (§ 1931 BGB).
Um zu berechnen, wer wie viel erbt, ist als Erstes immer der Erbteil des überlebenden Ehegatten wichtig. Denn davon hängt die Erbquote der übrigen Erben ab.
In sehr vielen Familien bekommt der länger lebende Ehegatte neben den Kindern nach dem Gesetz die Hälfte des Nachlasses – und zwar immer dann, wenn die Eheleute keinen Ehevertrag hatten und somit in einer Zugewinngemeinschaft lebten (§§ 1931 Abs. 3, 1371 BGB).
Hatte das Paar keine Kinder, aber zum Beispiel Geschwister, dann erbt der Ehepartner drei Viertel vom Nachlass. Den Rest bekommen die Eltern oder nach deren Ableben die Geschwister.
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Ist in Deiner Familie jemand verstorben, stellt sich immer die Frage, wer den Nachlass bekommt. Gibt es ein Testament oder einen Erbvertrag, dann hat die verstorbene Person selbst festgelegt, wer ihre Erben sind. Ohne Testament gilt die gesetzliche Erbfolge.
Um herauszufinden, wer wie viel bekommt, erstellst Du eine Skizze. Dabei kannst Du so vorgehen:
Übrigens: Wer zu welcher Quote erbt, das dokumentiert das Nachlassgericht in einem Erbschein – allerdings nur auf Antrag. Wann Du einen Erbschein brauchst und wie Du ihn bekommst, erfährst Du im Ratgeber zum Erbschein.
Einfacher wird das, wenn Du Dir die folgenden drei Beispielfälle anschaust, die die gesetzliche Erbfolge in unterschiedlichen Familienkonstellationen näher erläutern. Vom einfachen Erbrechtsfall hin zum sehr komplizierten Fall mit Erben aus der dritten Ordnung.
Erben erster Ordnung sind die Nachkommen des Erblassers. Lebt zum Zeitpunkt des Todesfalls ein Kind des Erblassers, erbt dieses Kind neben dem überlebenden Ehegatten des Verstorbenen. Leben mehrere Kinder, teilen sie das Erbe unter sich und dem überlebenden Ehegatten auf. Innerhalb der ersten Ordnung werden die Erben nach sogenannten Stämmen eingeteilt. Jedes Kind bildet mit seinen Nachkommen einen Stamm. Und jeder Stamm erhält den gleichen Erbteil.
Sind die Kinder des Erblassers bereits verstorben, erben die Enkelkinder. Bei mehreren Enkelkindern erben diese wiederum anteilig. Ist eines der Kinder des Erblassers bereits verstorben, geht der Erbanspruch dieses Kindes auf die Enkelkinder über. Nichteheliche Kinder, die nach dem 1. Juli 1949 geboren sind, sind genauso erbberechtigt wie eheliche Kinder. Das ist alles kompliziert und lässt sich am besten anhand eines Beispiels erklären.
Ein Beispiel: Anton ist verstorben. Er war bereits Witwer. Anton hatte drei Kinder und vier Enkelkinder. Antons Mutter lebt noch. Eines seiner Kinder ist verheiratet und hat selbst zwei Kinder. Ein weiteres Kind ist ledig. Das dritte Kind ist schon vor Jahren verstorben, hat aber zwei Kinder hinterlassen. Das Schaubild zeigt Antons Stammbaum als Erblasser:
Quelle: Finanztip-Recherche (Stand: Oktober 2024)
Wer erbt wie viel? Da Antons Mutter zur zweiten Ordnung gehört, aber Erben erster Ordnung vorhanden sind, erbt die Mutter nicht (§ 1930 BGB). Gesetzliche Erben sind die beiden noch lebenden Kinder und die beiden Enkelkinder, die von dem verstorbenen dritten Kind abstammen (§ 1924 Abs. 2 BGB). Die anderen beiden Enkelkinder erben nicht (§ 1924 Abs. 3 BGB).
Würden alle drei Kinder noch leben, so würde jedes ein Drittel erben – denn Kinder erben immer zu gleichen Teilen (§ 1924 Abs. 4 BGB). Ergebnis: Die beiden Kinder erben demnach je ein Drittel und die beiden Enkelkinder teilen sich das Drittel, das ihrer verstorbenen Mutter zustand, und erben damit je ein Sechstel.
Geschwister sind immer Erben zweiter Ordnung genauso wie die eigenen Eltern. Geschwister erben nach dem Gesetz erst dann, wenn der verstorbene Bruder oder die verstorbene Schwester keine Kinder hatte und die gemeinsamen Eltern schon tot sind. Dann kommen die Geschwister zum Zuge. Andersherum bedeutet das: Leben noch beide Eltern des Verstorbenen, erben sie zu gleichen Teilen jeweils die Hälfte des Nachlasses. Ist ein Elternteil bereits verstorben, treten an die Stelle des verstorbenen Elternteils dessen Nachkommen – in diesem Fall also die Geschwister des Erblassers und deren Kinder.
In der zweiten Ordnung werden die Erben nach sogenannten Linien bestimmt. Jeder Elternteil bildet zusammen mit seinen Nachkommen eine Linie. Jede Linie erbt zu gleichen Teilen. Zur Veranschaulichung dient das folgende Beispiel.
Ein Beispiel: Der Erblasser Berthold war nicht verheiratet und hatte keine Kinder. Von seinen Eltern lebt nur noch die Mutter. Aus seiner Familie leben ansonsten noch ein Bruder und ein Halbbruder aus der zweiten Ehe seines verstorbenen Vaters sowie eine Nichte und ein Neffe von seiner verstorbenen Schwester.
Quelle: Finanztip-Recherche (Stand: Oktober 2024)
Wer erbt wie viel? In diesem Beispiel wird es etwas komplizierter. Da es keinen Erben erster Ordnung gibt – der Erblasser Berthold hatte keine Kinder –, kommen die Erben zweiter Ordnung an die Reihe. Dazu gehören die Eltern und die Geschwister (§ 1925 Abs. 1 BGB). Die Eltern des Erblassers erben nach Linien. Das bedeutet: Die eine Hälfte des Erbes bekommt die Linie der Mutter, die andere Hälfte geht an die Linie des Vaters. Weil die Mutter noch lebt, bekommen die Kinder nichts. Die Mutter erbt allein die Hälfte des Nachlasses.
Da Bertholds Vater nicht mehr lebt, treten an seine Stelle seine Nachfahren. Das sind der Bruder, die Schwester und der Halbbruder. Die drei Kinder des Vaters erben anstelle des Vaters dessen Hälfte. Der Halbbruder und der Bruder erben je ein Sechstel und anstelle der verstorbenen Schwester erben der Neffe und die Nichte je ein Zwölftel.
Ergebnis: Nach dem Gesetz entsteht eine Erbengemeinschaft mit fünf Erben der zweiten Ordnung: die Mutter des Verstorbenen erbt die Hälfte. Bruder und Halbbruder erben je ein Sechstel, die Nichte und der Neffe von der verstorbenen Schwester erben je ein Zwölftel.
Eher selten kommen Erbfälle vor, bei denen weit entfernte Verwandte erben. Das ist möglich, wenn der Verstorbene keine eigenen Kinder oder Enkel hinterlässt, die Eltern des Erblassers bereits verstorben sind und weder Geschwister noch Nichten oder Neffen leben. Erst dann kommen die sogenannten Erben dritter Ordnung zum Zuge. Die Erbschaft fällt den Großeltern und deren Abkömmlingen zu. Ist ein Großelternteil bereits verstorben, was in der Regel der Fall ist, treten die Nachkommen der Großeltern, also die Tanten und Onkel des Erblassers und deren Abkömmlinge, die Cousins und Cousinen, an die Stelle des verstorbenen Großelternteils.
Erbfälle mit Erben dritter Ordnung sind kompliziert. Um herauszufinden, wer wie viel erbt, benötigst Du unbedingt eine Skizze, aus der sich die Familienverhältnisse ergeben. So auch bei nachfolgendem Beispiel.
Beispiel: Der Erblasser Claus war nicht verheiratet, er hatte keine Kinder und seine Eltern leben nicht mehr. Es leben nur noch zwei Cousinen mütterlicherseits, ein Cousin väterlicherseits und eine Halbtante. Das ist die Tochter aus der zweiten Ehe des Großvaters.
Wer erbt wie viel? Da es keine Erben erster Ordnung gibt – der Erblasser Claus hatte keine Kinder –, und seine Eltern als Erben zweiter Ordnung auch bereits verstorben sind, erben die Großeltern und deren Abkömmlinge als Erben dritter Ordnung – und zwar nach Linien (§ 1926 BGB ). Würden die vier Großeltern noch leben, bekäme jeder ein Viertel. Das bedeutet für die väterliche Seite: Das Viertel der Großmutter bekommt der Cousin, genauso wie das Viertel des Großvaters. Damit steht ihm die Hälfte des Erbes zu. Das Viertel der Großmutter mütterlicherseits geht an die beiden Cousinen, jede bekommt ein Achtel. Das Viertel des Großvaters mütterlicherseits geht zur Hälfte an die Halbtante und zur Hälfte wieder an die Cousinen. Die bekommen damit beide drei Sechzehntel der Erbschaft. Es entsteht demnach also eine Erbengemeinschaft aus vier Personen.
Wer ein Kind adoptiert, wird dadurch rechtlich mit ihm verwandt. Ein adoptiertes minderjähriges Kind wird wie ein gemeinschaftliches Kind der Ehegatten behandelt (§ 1754 BGB). Es gehört damit zu den Erben erster Ordnung. Das adoptierte Kind verdrängt damit auch Erben aus der zweiten Ordnung, zum Beispiel die Geschwister.
Mit der Adoption erlischt das Verwandtschaftsverhältnis des Kindes zu den bisherigen Verwandten und damit auch alle sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten (§ 1755 BGB). Das Kind ist gegenüber den leiblichen Eltern nicht mehr erbberechtigt. Das bedeutet auch: Stirbt das Adoptivkind vor den neuen Eltern, erben die Adoptiveltern.
Wichtig: Für ein adoptiertes volljähriges Kind gelten besondere Regeln. So erlöschen anders als bei minderjährigen Adoptivkindern die verwandtschaftlichen Beziehungen zu den leiblichen Eltern nicht (§ 1770 Abs. 2 BGB). Ein volljähriges adoptiertes Kind kann also gesetzlicher Erbe von bis zu vier Erbteilen sein: denen der leiblichen Eltern und denen der Adoptiveltern. Gegenüber den Verwandten der Adoptiveltern bestehen aber keine gesetzlichen Erbrechte.
Ist kein Testament oder Erbvertrag vorhanden und gibt es auch keine gesetzlichen Erben oder haben alle Erben die Erbschaft zum Beispiel wegen Überschuldung ausgeschlagen, erbt das Bundesland, in dem der Erblasser zur Zeit seines Todes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Lebte der Verstorbene vor seinem Tod im Ausland oder ist kein gewöhnlicher Wohnsitz feststellbar, erbt der Bund (§ 1936 BGB). Dabei haftet der Staat für Nachlassschulden nur beschränkt.
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